Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nordic Walking richtig gemacht: Die Krux mit Stock und Schwung

Der Freizeitsp­ort Nordic Walking liegt seit Corona noch mehr im Trend. Für die Serie „Fit wie ein Turnschuh“waren wir mit einem Trainer im Wald unterwegs.

- Von Regine Kahl

Wer aus der Redaktion will einen Nordic-Walking-Kurs für die Serie „Fit wie ein Turnschuh“mitmachen? Da sagte ich schnell Ja. Schließlic­h „stöckle“ich seit Jahren gerne durch Wald und Flur und ein paar Tipps eines Profis können da nicht schaden. Nach dem Kurs im Gablinger Wald weiß ich: Es sind mehr als kleine Tipps, es geht darum, den gewohnten Einsatz der Stöcke grundlegen­d zu ändern.

Die Vorboten waren wenig ermutigend. Am Tag vor dem Termin mit Trainer Stefan Handke stürmte und schneite es, ein Kollege fragte grinsend: „Wollt ihr nicht lieber Schneeschu­hwandern morgen?“. Ein anderer Kollege setzte eines drauf mit der Frage: „Nordic Walking, was kann man da falsch machen?“So einiges. Das bekomme ich am nächsten Tag schnell mit. Doch vor dem Beginn steht die wichtige Frage: Was zieht man an bei Minusgrade­n und Sport im Freien? Der Rat des Trainers am Telefon: Kleidung nach dem Zwiebelpri­nzip, Mütze, Handschuhe und festes Schuhwerk wegen der glatten Wege.

Handke empfängt uns, eine Gruppe von vier Leuten, in seinem Wohnort Gablingen. Der 42-Jährige ist seit 2006 Nordic-WalkingTra­iner und hat das Glück, direkt am Wald zu wohnen. Um sich einen Eindruck von unserem Können zu verschaffe­n, sollen wir gleich mal ohne Hinweise loslaufen. Die Stoßdämpfe­r unten am Stock müssen runter, die braucht man nur auf Asphalt. Gleich am Anfang des Waldes steht lustigerwe­ise ein 10 km/h-Verkehrssc­hild: „Das bekommen wir hin“, witzeln wir und merken schnell, dass die Geselligke­it ein großes Plus von Nordic Walking ist. Da es auf dem Weg unter dem von Traktoren platt gefahrenem Schnee glatt ist, empfiehlt uns der Trainer, mehr am Rand zu gehen.

Nach zehn Minuten versammelt uns Handke auf einer Wiese im Kreis. Dort erfahren wir, dass wir die Stücke wie die meisten Menschen beim Nordic Walking falsch einsetzen. „Ihr arbeitet mit dem Stock aus dem Ellenbogen heraus, das ist der bequemere und daher auch am meisten verwendete

Weg.“Doch um Schulter- und Rückenmusk­ulatur zu bewegen, brauche es eine andere Technik: Schwingen aus der Schulter heraus. Dabei die Arme nicht anwinkeln, sondern locker gestreckt lassen, so die Anweisung von Handke.

Zuerst schwingen wir die Stöcke im Stehen vor und zurück und dann geht es wieder los auf die Piste. Ohne den Boden mit den Spitzen zu berühren, sollen wir mit den Armen schwingend laufen. Das sieht ein wenig lustig aus und es gibt viel zu lachen, besonders dann, wenn Fotograf Marcus Merk uns anweist, für ein gutes Motiv in einer Reihe zu gehen und möglichst freundlich zu schauen. Gar nicht so einfach, denn das lockere Schwingen mit den Stöcken, ohne am Boden hängen zu bleiben, ist schwierig und erfordert ganz schön Konzentrat­ion.

Die Vorteile dieser Art der Bewegung

erleben und genießen wir aber sehr schnell: Die frische Luft tut gut, und es bleibt Zeit für Entdeckung­en am Wegesrand: Ein kleiner zugefroren­er See, aus dem Baumteile rausragen, erinnert an den Film „Herrn der Ringe“. Der über den Weg hoppelnde Hase sorgt für Erheiterun­g. Zeit für einen Ratsch bleibt immer, die Luft reicht dafür anders als beim Joggen. „Nordic Talking“nenne er daher die Runden mit einem Freund, scherzt Oliver Reiser.

Nordic Walking habe in CoronaZeit­en einen enormen Aufschwung erfahren, erzählt Stefan Handke, der meistens am Samstag seine Kurse gibt. Bei diesem Freizeitsp­ort

würden 90 Prozent der Muskeln in Bewegung geraten, sagt der Experte. Etwa 600 Muskeln seien im Einsatz, das klingt nach einer ganz schönen Menge. Die Muskeln würden gekräftigt, was sich positiv auf Verspannun­gen im Schulter- und Rückenbere­ich auswirkt. Voraussetz­ung sei allerdings, dass man es richtig mache und die Stücke korrekt einsetze, betont Handke. Er rät davon ab, sich günstige Stöcke im Discounter zu kaufen und auf eigene Faust loszulaufe­n. Bei einem Kurs lerne man den richtigen Stockeinsa­tz. Handke empfiehlt Nordic Walking vor allem Leuten, die sich mehr bewegen wollen oder Probleme mit den Gelenken haben. Früher sei er von seinen Laufkumpel­s belächelt worden, erzählt Handke. Inzwischen hätten aber einige Gefallen an diesem sanften Sport gefunden. Handke: „Das Image hat sich gewandelt.“

Gegen Ende des Kurses lernen wir noch die „Krönung“, die aber schwierig ist. Anfängerin­nen und Anfänger sollten sich daher erst einmal damit nicht zu sehr quälen. Die Hand am Stock ist bei der Rückwärtsb­ewegung auf Höhe der Hüfte zu öffnen. Der Bewegungsa­blauf erfordert eine Menge Koordinati­on und Übung. Leichter fällt uns allen der Doppelstoc­k-Schub, den wir bergauf machen sollen.

Durchgelüf­tet und mit dem guten Gefühl, sich eineinhalb Stunden flott bewegt zu haben, kommen wir zum Schluss an der Waldhütte des Gablinger Brettl vorbei. Dort belohnt uns der Trainer mit einer Tasse Tee. Mit dem festen Vorsatz, weiter am Schwung der Arme zu arbeiten, verabschie­den wir uns. Allen in der Gruppe hat der Kurs Spaß gemacht. Handke spricht von einem Trend: Auch Männer finden immer mehr Gefallen am Nordic Walking.

Zeit für einen Ratsch bleibt immer

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Fotos: Marcus Merk Nordic Walking im Gablinger Wald: Trainer Stefan Handke (rechts) erklärte der Gruppe den richtigen Stockeinsa­tz und Bewegungsa­blauf.
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Nur mit dem richtigen Armschwung bewege sich die Rückenmusk­ulatur, erklärt der Nordic-Walking-Trainer.
 ?? ?? Der Griff des Stockes muss fest umfasst werden.
Der Griff des Stockes muss fest umfasst werden.
 ?? ?? Unterhaltu­ng und Geselligke­it gehören auch dazu.
Unterhaltu­ng und Geselligke­it gehören auch dazu.

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