Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gipfelsturm in der Ecke-Galerie
In der Ausstellungsreihe „Stainless“stellen nun Vereinsmitglieder der Jahrgänge 1951 bis 1955 aus. Mit Bergmotiven ragen heraus: Erika Berckhemer und Stefan Wehmeier.
Von Rüdiger Heinze
Nahezu sechs Jahre liegt die erste „Stainless“-Ausstellung der EckeGalerie zurück, da darf man schon noch mal sinnieren über den Titel „Stainless“, „rostfrei“. 2018 versammelte die Schau Ecke-Künstler der Jahrgänge 1925 bis 1950; nun werden dreizehn Vereinsmitglieder der Jahrgänge 1951 bis 1955 präsentiert, also Künstler(innen) um die 70. Ältere Semester mithin, die erneut unter „rostfrei“subsumiert sind.
Aber noch eine andere Lesart ist möglich. „Stainless“taucht als Begriff vor allem im Zusammenhang mit Stahl auf – und wo kein Stahl (und Glas und Beton), da eben auch kein Rost. „Stainless“in der Ecke steht quer zu den Baumaterialien der Moderne; „Stainless“in der Ecke, das ist in allererster Linie eine Hommage an Malerei, Zeichnung, Schnitzkunst, dazu eine Hommage an Leinwand, Öl (oder Acryl), Wachs, Papier, Grafit, Pastell und Holz, mithin an die traditionellen Werkstoffe und Werktechniken, höchst individuell – und nicht industriell – eingesetzt. Und „Stainless“zeigt in etlichen Teilen schließlich auch die Auseinandersetzung mit der langen Kunstgeschichte, am deutlichsten bei Gernot Hausner.
Er huldigt malerisch, thematisch, motivisch Arnold Böcklin und dessen Symbolismus. Stellt Böcklin in einem durchaus meisterlichen Ölporträt dar und umringt diesen anhand mythologisch-mystischer Szenerien mit Pan, Neptun, einem Triton, kurvigen Nixen, Flugsauriern. Böcklins schäumendes „Meeresidyll“aus dem Belvedere Wien scheint direkt aufgegriffen und in eine leicht modernisierte Version (Mimik!) transformiert worden zu sein. Keine Frage, Hausner beherrscht sein Handwerk mit gleichsam schummerndem Pinsel beeindruckend. Auch dass dabei Bilder entstehen, die stilistisch aus unserer Zeit gefallen sind, kann kein Problem sein. Wohl aber, dass er die immanente Erotik deutlich expliziter darstellt, als Böcklin sie andeutet. Begegnungsfreudig, lachend, Abenteuer-erwartungsfroh bahnt sich etwas Lustvolles an ... Man begreift zu schnell, als dass man noch überlegen müsste.
Der hochalpinen Malerei – wie sie uns thematisch spätestens seit Joseph Anton Koch überliefert ist – setzen sich in „Stainless“gleich zwei Künstler imponierend aus, beide aufschauend, also aus der Untersicht. Auf drei Tondi platziert Erika Berckhemer vor nachtschwarzem Himmel drei Bergmassive, mit Schnee leicht überpudert. Bei Stefan Wehmeier hingegen geht das (oft freigestellte) gegenständliche Gipfelporträt in eine abstrahierende Mallandschaft im Vordergrund über, aufgreifend wohl Strukturen der Geologie, der Botanik und lichtreflektierender Wasserläufe – im Einzelfall höchst delikat. Das Auge und das ihm angeschlossene Hirn begreifen hier nicht zu schnell, sie haben zu untersuchen, zu deuten, zu arbeiten, Fragen des Motivs zu beantworten ...
Auf vier weitere Künstler, die ebenfalls in diese Richtung schreiten und dabei eine individuell ausgeprägte Ästhetik entwickelt haben, sei hier noch etwas ausführlicher eingegangen: Günther Baumann, der die Schau zusammen mit Jana Schwindel kuratierte, zeigt drei kleine gestisch-figürliche Mischtechniken und drei größere Enkaustik-Arbeiten – so geschichtsträchtig wie enigmatisch. Das „Schattenkleid“aus dem vergangenen Jahr ragt heraus. Auch hier stellt ein Bild mehr Fragen, als dass es antwortend auf Erwartungen eingeht.
Jeanette Scheidle, technisch experimentierfreudig, widmete sich 2023 auch dem Papier als ein künstlerisches Mittel über seine übliche Funktion als Bildträger hinaus. Sie zerschneidet für eine Arbeit jeweils zwei Zeichnungsbögen in schmale Streifen und verflechtet diese. Entstanden sind so sechs mittelformatige „Gedankenteppiche“, die mal abstrakt-gestische Zeichenkürzel neu „ordnen“, mal im Nachhinein grafisch überarbeitet sind, mal Applikationen von Papier oder Stoff tragen. Form, Inhalt, Sinn werden regelrecht neu verknüpft; die meditativen Ergebnisse laden zur Bild-Ursachenforschung ein.
Bleiben noch herauszuheben: Zum einen Johanna Schreiner, die vor nahezu monochromem Grund so etwas wie eine reizvolle moderne Form botanischer Porträts in Acryl fasst – so filigran wie malerisch frei in zarter (Blüten-)Farbigkeit, tituliert jeweils mit „Liebesbrief“. Zum anderen Brigitte Kronschnabel, die – ebenfalls zart – die „Federn“der blutroten Meerampfer, einer atlantischen Rotalgenart, figurativ umdeutet. In Tusche auf Transparentpapier entstehen geflügelte Menschenwesen, elfengleich.
Nicht alles dieser Schau steht technisch beziehungsweise inhaltlich auf geschilderter Höhe. Es gibt auch der Schmunzelkeramik Ähnelndes und Malerei, die es arg bunt treibt.
Laufzeit in der Ecke-Galerie, EliasHoll-Platz 6; bis 24. Januar.