Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Junger Mann ergaunert FCA-Logenkarten
Er orderte unter falschem Namen zwei FCA-Tickets für 1309 Euro. Im Prozess zeigt sich: Der heute 20-Jährige lebte in einer Parallelwelt.
In der Altstadt ist am Sonntagabend gegen 19.15 Uhr ein Kamin in Brand geraten. Rund 60 Einsatzkräfte, darunter die Berufsfeuerwehr sowie die Feuerwehren aus Kriegshaber, Oberhausen und Pfersee, eilten an den Einsatzort in der Pfladergasse und sperrten das Gebiet weiträumig ab.
Mit der Drehleiter bekämpfte die Feuerwehr die Flammen. Nachdem die Bebauung in der Altstadt sehr eng ist, ging es laut Branddirektor und Feuerwehrchef Andreas Graber vor allem auch darum, ein Übergreifen des Feuers auf weitere Gebäude zu verhindern.
Die Feuerwehr hatte die Lage jedoch schnell unter Kontrolle. Acht Anwohner mussten vorübergehend das Haus verlassen und wurden von den Einsatzkräften betreut. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand. Was das Feuer ausgelöst haben könnte, war zunächst nicht bekannt. Allerdings war es an der Außenseite des Kamins ausgebrochen. Das Haus ist weiterhin bewohnbar.
Die Anwohner konnten im Laufe des Abends in ihre Wohnungen zurückkehren, hieß es vor Ort. Einer von ihnen war bereits im Bett und berichtete davon, dass ihn erst die Polizei aus dem Schlaf geklingelt habe. Vor Ort war auch die Inhaberin des kleinen Ladensgeschäfts im Erdgeschoss, die sich zunächst Sorgen um ihre Einrichtung gemacht hatte.
Der Betrugsprozess vor Jugendrichterin Kathrin Schmid kam für Markus M. (Name geändert) vermutlich gerade zur rechten Zeit. Zeit, um, wie man salopp sagt, noch die Kurve zu kratzen und auf einen gerade Weg einzubiegen. Dass Markus M., 20 Jahre alt, sein Leben wieder umkrempelt, verdankt er nicht zuletzt dem Bemühen seines Verteidigers Stefan Mittelbach und den Ärzten im Bezirkskrankenhaus Augsburg, denen sich der junge Mann wenige Tage vor der Verhandlung erstmals öffnete und freimütig seine Probleme schilderte.
Markus, der in einer wohlhabenden Familie aufwuchs und sich nie Geldsorgen machen musste, lebte eine Zeit lang in einer Parallelwelt, führte ein Doppelleben, machte Schulden über Schulden. Und als seine Familie die Geldquelle stopfte, begann Markus mit Internet-Betrügereien. Eine relativ simple Masche, die allerdings mit Sicherheit eines Tages ans Licht kommt. Markus bestellte sich mehrmals Lebensmittel bei einem Discounter, Gläser, Besteck und Kochtöpfe bei einem Möbelmarkt. Als Rechnungsadresse gab er seine Mutter oder seinen leiblichen Vater an. Und wenige Tage vor dem Schlagerderby des FC Augsburg gegen den FC Bayern München am 17. September 2022 orderte er zwei Karten in einer Unternehmerloge der WWK-Arena für zusammen 1309 Euro und konnte dort den 1:0-Sieg der Fuggerstädter bejubeln.
Das Bestellformular für die Karten hatte er allerdings mit der gefälschten Unterschrift seines Stiefvaters unterzeichnet. Weil weder die gelieferten Waren noch die FCA-Karten bezahlt wurden, geriet zunächst seine Familie in den Fokus der ermittelnden Polizei. Die Spur zu Markus war aber schnell gelegt. Und so kam es jetzt zum Prozess vor dem Jugendgericht. Staatsanwalt Stefan Grunow warf dem 20-Jährigen Betrug in acht Fällen, Urkundenfälschung und Fälschung beweiserheblicher Daten vor.
Verteidiger Mittelbach, der im Namen seines Mandanten die Vorwürfe einräumte, schilderte dem Gericht seine intensiven Gespräche mit dem Angeklagten vor dem Prozess. „Das Motiv für die Taten war nicht greifbar. Er ist sich selbst ein Rätsel.“Der Anwalt überzeugte Markus schließlich, professionelle Hilfe für seine Probleme in Anspruch zu nehmen. Drei Wochen vor der Verhandlung wartete der 20-Jährige sechs Stunden in der Notaufnahme des Augsburger Bezirkskrankenhauses, ehe er sich in einem ärztlichen Gespräch öffnete und sich seine Probleme vom Leib redete. Anwalt Mittelbach: „Es war ein gewaltiger Schritt, ein Durchbruch. Er will jetzt aus der Krise raus, sich helfen lassen“. Und Markus M. selbst sagte: „Im Bezirkskrankenhaus war es das erste Mal, dass ich über meine Probleme sprechen konnte.“
Wie im Prozess auch durch den Bericht der Jugendgerichtshilfe offenbar wird, litt Markus schon im Grundschulalter an ADHS, einer Hyperaktivitätsstörung, nahm über Jahre hinweg Medikamente ein. Er brach eine Ausbildung, später auch ein Studium ab. Als seine Familie die finanzielle Unterstützung einstellte, lieh sich der junge Mann überall Geld, mache Zehntausende
Forderung kam Jugendrichterin Schmid nach. Sie verurteilte Markus, wie angeklagt, nach dem Jugendstrafrecht zu 40 Sozialstunden und 2800 Euro Wertersatz, um den Schaden wiedergutzumachen. Ein Betreuer der „Brücke“wird den Verurteilten ein halbes Jahr lang begleiten. Eine Therapie, so die Richterin, müsse der junge Mann selbst angehen. Er habe, was Richterin Schmid ihm unmissverständlich vorhielt, das Vertrauen seiner engsten Familie missbraucht, indem er Mutter, Vater und Stiefvater in die Ermittlungen hineingeritten habe. Das Urteil ist rechtskräftig.