Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zahl der Sozialwohnungen wird sinken
Vor 20 Jahren machten geförderte Wohnungen noch zehn Prozent des Bestands aus, inzwischen sind es fünf. Die aktuelle Entwicklung und eine Quote bereiten Experten Sorge.
In Augsburg ist in den kommenden Jahren mit einem Rückgang an geförderten Wohnungen (früher Sozialwohnungen) zu rechnen. Aktuell liegt die Zahl bei rund 7820, bis 2028 dürfte sich nach einer Prognose des Sozialreferats ein Abschmelzen des Bestandes auf etwa 6000 Wohnungen abzeichnen. Zum Vergleich: Vor gut 20 Jahren lag die Zahl der Sozialwohnungen bei knapp 15.000. Ihr Anteil am Wohnungsbestand sank von zehn Prozent auf aktuell etwa fünf Prozent. Damit fällt – in Zeiten von generell steigenden Mieten – günstiger Wohnraum weg. Experten schlagen deshalb Alarm.
Bei den geförderten Wohnungen gibt der Staat den Mietern, je nach Einkommensstufe, einen Zuschuss zur Miete. Die Bewohnerschaft reicht vom Hartz-IVEmpfänger bis zur Mittelschichtfamilie – 75 Prozent der Augsburger Bevölkerung würden die Voraussetzungen erfüllen, um sich für eine geförderte Wohnung anmelden zu können. Zwar seien auch neue Wohnungen, unter anderem durch die städtische Wohnbaugruppe, geplant, der Wegfall werde sich aber nicht durch Neubautätigkeit auffangen lassen, sagt Sozialreferent Martin Schenkelberg (CSU). In den vergangenen Jahren gelang es, die Zahl der geförderten Wohnungen einigermaßen stabil zu halten. „Allein in den letzten fünf Jahren entstanden durch den Neubau und die Modernisierung von gefördertem Wohnraum mehr als 1100 neue Wohnungen“, so Schenkelberg. Damit ließ sich der Wegfall ausgleichen. Der große Verlust an geförderten Wohnungen erfolgte zwischen 2000 und 2010, als es generell kaum Neubau in Augsburg gab, weil die ehemaligen USWohnungen schlagartig auf den Markt kamen und die Preise niedrig hielten. Doch nun – da aktuell kaum gebaut wird – könnte es abermals bergab gehen.
Die Stadt hatte 2020 in Neubaugebieten eine Quote von 30 Prozent geförderten Wohnungen festgelegt, die erfüllt werden muss, um dem Mangel zu begegnen. Geprüft werden soll laut schwarz-grünem Koalitionsvertrag eine Erhöhung auf 40 Prozent, wobei dafür aktuell kein politischer Vorstoß absehbar ist. Die Immobilienbranche hatte schon mit dem 30-Prozent-Beschluss gehadert und verweist darauf, dass es mitunter nicht einfach sei, Mieter für die oberste Einkommensstufe zu finden. Schenkelberg sagt, man werde alle Mittel prüfen müssen, wie man Sozialwohnungen schaffe. Ein Ansatzpunkt sei es, bei der Modernisierung von Wohnungen die Bindungsfrist zu verlängern. Denn solange so gut wie gar nichts gebaut wird, werden auch keine geförderten Wohnungen gebaut, unabhängig von der Höhe der Sozialquote.
Der Mieterverein schlägt angesichts der Entwicklungen Alarm. In Augsburg gebe es grundsätzlich ein Problem bei der Wohnungsversorgung, so Geschäftsführer Thomas Weiand unter Berufung auf eine Studie des Pestel-Instituts. Das Institut stellte im Auftrag von Bauwirtschaft, IG Bau und Mieterbund zuletzt eine bundesweite Studie vor, die im Stadtgebiet erhebliche Defizite bei der Wohnungsversorgung sieht. Das Mietpreisniveau liegt demnach im bundesweiten Vergleich im zweithöchsten Bereich noch unter München, aber gleichauf mit Stuttgart und Hamburg und über Berlin. „Die Situation ist besorgniserregend. Es fehlen vor allem kleine
Wohnungen im Preisbereich zwischen sechs und zehn Euro Kaltmiete je Quadratmeter. Diese Entwicklung bedroht die soziale Struktur unserer Gesellschaft und belastet vor allem Mieter mit geringem Einkommen“, so Weiand. Er fordert – nachdem sich bundesweit ein Mangel abzeichnet – politische Anstrengungen. Besorgniserregend sei, dass die Defizite auch stark den sozialen Wohnraum betreffen.
Um die Zahl der wegfallenden und weggefallenen Sozialwohnungen richtig einschätzen zu können, muss man allerdings auch berücksichtigen, dass diese dem Wohnungsmarkt meist weiterhin zur Verfügung stehen und auch beim Übergang in den freien Markt nicht plötzlich zu Hochpreiswohnungen werden. Die städtische Wohnbaugruppe als größter Eigentümer von sozial geförderten Wohnungen in Augsburg legt etwa grundsätzlich Wert auf günstige Wohnungen auch nach dem Auslaufen der Bindungsfrist. Grundsätzlich sind Mieterhöhungen aber durchaus möglich.
Hintergrund ist, dass der Staat Bauherren von geförderten Wohnungen einen günstigen Kredit gewährt und den Mietern einen Zuschuss
gibt. Dafür verpflichtet sich der Eigentümer für eine festgesetzte Frist (in Augsburg inzwischen bis zu 40 Jahre, früher 25 Jahre), die Wohnungen gemäß den staatlichen Kriterien an Interessenten mit Wohnberechtigungsschein zu vermieten. Inzwischen fallen Wohnungen aus früheren Baujahren aus dieser sogenannten Bindungsfrist und gehen dann in den freien Mietmarkt über, ohne dass Mieter noch eine Förderung bekommen. Der nächste große Schwung steht im Jahr 2027 an, wenn 800 Wohnungen aus der Preisbindung fallen.
Dem gegenüber stehen 350 neue geförderte Wohnungen bis etwa 2026. Hinzu kommen noch modernisierte 160 Wohnungen, deren Bau aber noch nicht bestätigt ist. Die städtische Wohnbaugruppe, die mit 10.500 Wohnungen größter Vermieter in Augsburg ist und mehr als die Hälfte aller geförderten Wohnungen in Augsburg besitzt, stoppte angesichts der unklaren Rahmenbedingungen auf dem Bau vor einem guten Jahr den Baubeginn aller Neubauprojekte. Im Herbst soll es wieder einen ersten Spatenstich im Lechhauser Neubaugebiet an der Wernhüterstraße geben.