Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der FCA-Kapitän beschenkt sich selbst
Ermedin Demirovic bestritt gegen den VfL Bochum sein 50. Bundesligaspiel für den FC Augsburg. Den Strafstoß zum 1:1-Endstand verwandelte der 26-jährige Stürmer persönlich.
Von Robert Götz
Diesmal ließ Ermedin Demirovic erst gar keine Zweifel aufkommen. Als Schiedsrichter Patrick Ittrich in der 90. Minute vom Video-Studium an der Außenlinie zurückkam, mit seinen beiden Händen das berühmte Viereck in die Luft malte und auf den Elfmeterpunkt im Strafraum des VfL Bochum deutete, nahm der Kapitän des FC Augsburg den Ball sofort in die Hand und gab ihn auch nicht mehr her. 1:0 stand es für den VfL, das Anrennen des FC Augsburg in der zweiten Hälfte schien vergeblich.
Nun trat also der Kapitän persönlich an. Vor genau einer Woche, bei der 2:3-Niederlage gegen den FC Bayern, hatte Demirovic beim ersten Strafstoß Sven Michel den Vortritt gelassen. Der Routinier scheiterte an Bayern-Keeper Manuel Neuer. Den zweiten verwandelte Demirovic in der Nachspielzeit links unten zum 2:3. Der Anschlusstreffer kam aber zu spät.
. „Nachdem feststand, dass es Elfmeter war, gab es heute keine zwei Meinungen, dass ich den Elfmeter schießen würde. Und ich war mir am Ende sicher, dass ich ihn verwandeln würde“, erklärte Demirovic dann später in der Mixed-Zone. Sein Gefühl täuschte ihn nicht. Demirovic legte sich den Ball zurecht, nahm Anlauf und schoss stramm flach ins linke Eck. VfL-Torhüter Manuel Riemann flog in die andere Richtung. Es hieß 1:1 und dabei blieb es.
Vor dem Elfmeter hatte nur Jeffrey Gouweleeuw Demirovic angesprochen. „Er hat nur gesagt, dass ich ihn überzeugt schießen soll. Dass er weiß, dass ich ihn reinhauen werde. Dass, wenn ich ihn gut platziere, der Riemann keine Chance hat“, berichtete Demirovic vom Inhalt des kurzen Gespräches. Gouweleeuw sollte Recht behalten.
Demirovic hat sich in seinem 50. Bundesligaspiel selbst beschenkt mit seinem elften Saisontor. Dabei sah es lange nicht danach aus, dass er an diesem regnerischen Nachmittag überhaupt noch ein Erfolgserlebnis haben würde. In den ersten 45
Minuten war die FCA-Offensive fast komplett abgemeldet. Bei den meist hohen Bällen hatten er und Phillip Tietz gegen die beiden VfL-Verteidigungskanten Ivan Ordets und Erhan Masovic keine Chance. „Es war extrem schwierig gegen die Manndeckung, sie waren extrem stark in den Zweikämpfen, extrem stark mit dem Kopf. Es war einfach schwierig für uns Stürmer, den Ball zu halten.“Erst als FCA-Trainer Jess Thorup in der Halbzeit auf ein 4-1-3-1 umstellte und dann auch entsprechend wechselte, wurde es besser.
Trotzdem, es schien nicht der Tag von Demirovic zu sein. Dennoch glaubte er weiter an sich. „Ich war der Meinung, dass ich heute noch ein Ding bekomme, das war der Elfmeter. Auf diese Gelegenheit habe ich das ganze Spiel gewartet. Ich hatte im ganzen Spiel nur einen Schuss, der geblockt wurde. Ich wusste, ein Ding würde ich noch bekommen.“
Mit dieser psychischen Stärke steht Demirovic als Kapitän und auch Spieler stellvertretend für das neue Selbstbewusstsein, das Jess Thorup der Mannschaft vermittelt hat. Vielleicht ist das die größte Leistung des Trainers, seit er im Oktober das Amt von Enrico Maaßen übernommen hatte. Auch unter Maaßen hatte der FCA Rückstände aufgeholt, doch das Vertrauen in die eigene Leistung war viel labiler. Unter Thorup hat sich das geändert. „Es sind die Auswärtsspiele, in denen wir letztes Jahr nicht gepunktet haben, heute hat es geklappt“, sagte Demirovic.
In Bochum konnte sich der FCA in der ersten Hälfte nur mit Mühe der Aggressivität der Gastgeber erwehren. Doch der FCA stemmte sich den Widrigkeiten entgegen und hatte nach dem Wechsel einen neuen Plan, einen, der funktionierte. „Wir wollten rausgehen und unser Spiel spielen. Wir wollten uns nicht mehr anpassen an den Fußball, den Bochum gespielt hat, mit den langen Bällen“, erzählte Demirovic von den Gesprächen in der Halbzeitpause. „Wir wollten mehr Kontrolle reinbringen, außen mehr den Ball flach halten. All das, was wir die letzten Wochen extrem gut machten, das wollten wir hier auch zeigen. Wir wussten, dass es schwierig wird, weil Bochum extrem hart in die Zweikämpfe geht und hart am Mann ist. Aber wir haben uns durchgesetzt.“Auch weil Demirovic die Nerven behielt.
Der 26-jährige Nationalspieler von Bosnien-Herzegowina hat schon elf Tore und sechs Assists erzielt, nie war er besser. Am Samstag (15.30 Uhr) erwartet der FCA nun RB Leipzig in der WWKArena. Es ist nach den Duellen gegen Bayer und den Bayern der Abschluss der Heim-Trilogie gegen die Top-Fünf-Teams. „Für die Moral war der Punkt heute wichtig“, sagt Demirovic. RB Leipzig – dort wurde Demirovic drei Jahre in der Jugend ausgebildet. Noch nie hat er gegen seinen Ex-Klub gewonnen. Jetzt wäre gar kein schlechter Zeitpunkt, das zu ändern.
Der FC Augsburg hat gegen den VfL Bochum wieder Unentschieden gespielt. In der Vorrunde hieß es zu Hause in der WWK-Arena 2:2, jetzt 1:1. Kein großer Unterschied also? Doch. Anfang September hat der FCA nach zweimaliger Führung zwei Punkte verloren. Am Samstag hat er einen Punkt gewonnen.
Im September war die Unsicherheit der Mannschaft bis unter das Tribünendach zu spüren. Das 1:0 und das 2:1 brachten keinen Glauben in die eigene Stärke gegen ein Bochum, das damals auch noch nicht so gefestigt war. Das Spiel war an den Gästen ausgerichtet, der FCA reagierte nur. 21:11 Torschüsse, 63 zu 37 Prozent Ballbesitz für Bochum waren damals niederschmetternde Zahlen. Und das gegen einen Mitkonkurrenten im eigenen Stadion.
Am Samstag zeigten die Bochumer lange Zeit mit den ihren eigenen Mitteln eindrücklich, warum sie die letzten sieben Spiele zu Hause nicht verloren haben. Warm nur Gladbach in dieser Saison im früheren Ruhrstadion gewonnen hat. Mit unglaublichem Einsatz, Aggressivität, nach vorne gepeitscht durch die Zuschauer, brachten sie in den ersten 45 Minuten eine unglaubliche Präsenz auf dem Platz. In der Vergangenheit hätte der FCA den Turnaround wohl nicht geschafft.
Doch der FCA hielt dagegen und übernahm in der zweiten Hälfte selbst das Kommando im Hexenkessel Ruhrstadion. Natürlich wäre das Spiel entschieden gewesen, hätte der VfL eine der Großchancen zum 2:0 genützt. Hat er aber nicht. Und so war das 1:1 am Ende verdient. Weil der FCA bis zum Schluss an sich glaubte, nicht nachließ, selbst agierte und nicht nur reagierte. Diese Zeiten scheinen vorbei. Jetzt gegen RB Leipzig könnte der FCA den nächsten Schritt in der Entwicklung gehen und sich gegen eines der Top-FiveTeams der Liga, und das ist RB trotz der Formschwankungen, nicht nur Lob, sondern auch Punkte holen.