Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Besteht bei Familie Yükselen eine Rückkehrchance?
Familie Yükselen aus Emersacker ist abgeschoben worden. Wie ist die Abschiebung rechtlich zu beurteilen? Ein Rechtsanwalt ordnet den Fall ein.
Die überraschende Abschiebung der Familie Yükselen aus Emersacker am Montagmorgen hat im Landkreis Augsburg hohe Wellen geschlagen. Nach fünf Jahren in Deutschland wurden die Mutter und ihre beiden Söhne von der Polizei abgeholt und per Flugzeug in die Türkei gebracht. Doch was sind die rechtlichen Grundlagen für eine solche Abschiebung? Unsere Redaktion hat mit einem Rechtsanwalt gesprochen.
Alexander Wilhelm betreibt eine Kanzlei in Augsburg und hat sich unter anderem auf Migrationsrecht spezialisiert. Bei einem Asylantrag müsse man sich bewusst machen, dass dabei stets verschiedene Schutzformen geprüft werden, erklärt der Anwalt. Insgesamt führt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) drei verschiedene Schutzformen auf.
Zum einen gibt es die Asylberechtigung für Menschen, die in ihrem Herkunftsland zum Beispiel aufgrund ihrer politischen Überzeugung staatlich verfolgt werden. Etwas umfangreicher ist der Flüchtlingsschutz, der zusätzlich auch bei der Verfolgung durch nicht staatliche Akteure greift. Die dritte Schutzform ist der subsidiäre Schutz. Dieser greift, wenn im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, die Asylberechtigung oder der Flüchtlingsschutz aber nicht greifen. Dies kann zum Beispiel bei der individuellen Bedrohung durch einen Krieg der Fall sein.
Bei den Yükselens wurde keine dieser Schutzformen anerkannt, beide Asylanträge der Familie wurden abgelehnt. „Als letzte Möglichkeit gibt es dann noch das Abschiebeverbot“, sagt Wilhelm. Dieses Verbot wird dann erteilt, wenn durch die Abschiebung eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben besteht. Dies kann laut BAMF bei schwerwiegenden Erkrankungen der Fall sein. Bei der Familie Yükselen wurde immer wieder auf die geistige Behinderung des jüngsten Sohns Deniz hingewiesen. Augenscheinlich war diese Erkrankung für ein Abschiebeverbot aber nicht relevant.
Um ein solches Verbot zu erwirken, reiche eine einfache Bescheinigung vom Hausarzt laut Alexander Wilhelm nicht aus. Es brauche ein umfangreiches Gutachten. „Und dadurch muss erwiesen sein, dass man in den sicheren Tod abschiebt“, sagt der Experte für Migrationsrecht.
Auch die Ausbildungsplätze des älteren Sohns Serkan und Mutter Meryem sowie der Umstand, dass die Heimatstadt der Yükselens durch ein Erdbeben im vergangenen Jahr zerstört wurde, führten nicht zu einer Aufenthaltserlaubnis. Generell besteht bei geflüchteten Menschen mit einem Ausbildungsplatz laut Rechtsanwalt Wilhelm zwar die Möglichkeit der Ausbildungsduldung. Diese wurde im Fall der Familie Yükselen allerdings ebenfalls nicht ausgesprochen.
Dass das Erdbeben nicht berücksichtigt wurde, liegt wohl daran, dass nicht das gesamte Land von den Schäden betroffen war. „Bei Erdbeben würde eventuell der subsidiäre Schutz greifen“, sagt Wilhelm. „Aber: Dafür müsste das gesamte Land betroffen sein.“Da allerdings nur ein Teil der Türkei durch Erdbeben zerstört wurde, könnte die Familie in andere Teile des Landes ausweichen.
Doch könnte die Familie nach ihrer Abschiebung noch mal nach Deutschland zurückkehren? „Das ist ganz schwierig“, sagt der Rechtsanwalt. Wenn die Abschiebung erst mal durchgesetzt ist, sei eine Rückkehr zunächst ausgeschlossen. Mit der Abschiebung gehe in der Regel ein Wiedereinreiseverbot von meist 36 Monaten einher. „Sollte die Familie dagegen verstoßen, wäre das eine schwere Straftat.“
Die einzige Möglichkeit wäre, vor Gericht eine Klage wegen einer illegalen Abschiebung einzureichen. „Solche Fälle von illegalen Abschiebungen sind allerdings sehr selten“, sagt Wilhelm.