Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zum „www-Geburtstag“: Deshalb leben manche Senioren bis heute ohne Internet
Seit 35 Jahren gibt es das Internet – manche kennen kein Leben ohne, andere lehnen es ab. So nutzen Menschen in Neusäß und Schwabmünchen das World Wide Web.
Eine Frau hat ihr Handy jahrelang nicht genutzt. Eine andere braucht das Internet überhaupt nicht. Wieder andere sehen aber gerade im weltweiten Netz einen großen Vorteil. Es ist ja auch in alle Aspekte integriert. Vernetzt Menschen aus aller Welt miteinander und weiß alles. Doch das Internet wird heute erst 35 Jahre alt. Dass es also noch Menschen gibt, die ohne Internet aufgewachsen sind, überrascht nicht. Wie lebt es sich, wenn man nicht „online“ist?
„Ich lese jeden Tag Zeitung“, sagt die 77-jährige Sofie Härtl. Daher bekäme sie alle für sie relevanten Informationen. Den PC benutze sie manchmal zum Nachschauen von Nachrichten, aber auch das komme selten vor. Ihr Mann befasst sich damit noch weniger. Erst vor Kurzem ließ sich die Seniorin von ihren Enkeln dazu bewegen, ihr Smartphone zu benutzen. „Ein Handy habe ich schon ewig. Aber es lag immer nur unbenutzt herum“, scherzt Härtl.
Hauptsächlich benutze sie es für WhatsApp und zum Fotos machen. Daher findet sie, dass ihr ohne das Internet nichts fehle: „Mir geht nix ab. Fernsehen gibt es ja auch und ich lese viel“, sagt sie. Einen Vorteil sieht sie nur am schnellen Austausch von Nachrichten und Fotos: „Ich fotografiere gern, wenn ich draußen bin und dann kann ich die Fotos direkt verschicken.“
Die 81-jährige Maria Koch aus Schwabmünchen benutzt das Internet nicht, ihr 86-jähriger Ehemann Jens Koch gelegentlich. Amtsschreiben erledige sie noch in Papierform. Maria Koch sagt: „Mir ist der Kontakt von Angesicht zu Angesicht lieber.“Junge Leute bräuchten das Internet für die Arbeit, sagt Maria Koch. Etwa ihr Sohn Boris Koch, der Fantasy-Autor ist. Sie hingegen würde aus Angst vor Betrug nichts im Internet
bestellen oder kommentieren. Ihr Ehemann Jens Koch stimmt zu und sagt: „Ich benutze keine sozialen Netzwerke, die sind weitgehend unsozial.“Auch, dass Behörden ein Facebook-Profil haben, findet er befremdlich. Er nutzt das Internet vor allem für E-Mails, persönliche Kontakte und liest gerne auf Wikipedia.
Eine 68-Jährige dagegen sieht im Internet einen großen Vorteil. Macht alles über ihr Handy, ob Bankgeschäfte oder Navigation. „Es geht fast nicht mehr anders“, sagt R. Briemle.
Früher sah sie die Nachrichten beim Fernsehen oder in der Zeitung, den Kontakt zu anderen hielt man über Telefon oder die Post und wenn man was für die Schule brauchte, recherchierte man ausschließlich
in der Bücherei. Jetzt liest sie die Zeitung digital und ist begeistert, vor allem von der Vorlesefunktion. Sie will bei der Digitalisierung am Ball bleiben, sonst, so fürchte sie, verliere man den Anschluss. „Und Karten reservieren, das geht meist nur online und dann ist es auch oft teurer, wenn man es nicht übers Internet kauft.“
Die 14-jährige Steffi kennt keine Welt ohne Internet. Ihr erstes Handy bekam sie mit elf. Hauptsächlich benutzt sie es wie viele in ihrem Alter für den Kontakt mit Freunden und Familie. „Es ist auch eine gute Beschäftigung, wenn man nichts zu tun hat. Ich schau’ dann meistens Videos auf YouTube“, erzählt sie. Sie kann sich aber auch ohne Handy beschäftigen, zum Beispiel mit Zeichnen. Außerdem
legt sie ihr Handy beim Lernen weg und wenn sie mit Familie und Freunden zusammen ist, bleibt das Handy unbenutzt. „Im Nachhinein war elf schon früh für ein Handy, wenn ich bedenke, wie viel Quatsch ich damit gemacht habe“, sagt sie lachend.
Die 15-jährige Hevti aus Neusäß hat ihr Handy immer dabei. Sie möchte nicht darauf verzichten, sieht aber auch das Problem, dass alle immer auf das Gerät schauen. Trotzdem verbringt sie, wie Seidler, ihre Freizeit meist online. Filme schauen, Musik hören und auch Recherche für Schulthemen finden bei ihr auf dem Smartphone statt. Wenn sie Zeit mit ihren Freunden verbringt, wird es weggelegt, sagt sie.
In Neusäß organisiert das Freiwilligen-Zentrum
FuN seit sieben Jahren Handy- und Computerübungsstunden. Engagierte Schülerinnen und Schüler der Realschule Neusäß und der Eichendorfschule, wie Seidler und Jaffar, setzen sich mit jeweils einer Seniorin oder einem Senior zusammen und beantworten deren Fragen zum Umgang mit Laptop und Smartphone. „Das ist immer gut ausgebucht“, sagt Gerhard Walter, Organisator des Kurses.
Von Schuljahresbeginn bis -ende treffen sich die Schüler und Senioren alle zwei Wochen in den Gemeinderäumen des Freiwilligen-Zentrums. Am Ende gibt es für die engagierten Helfer einen Eintrag ins Zeugnis und ein Zertifikat als Anerkennung für ihre erbrachte Leistung.