Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Erst die Lehre – und dann?
An eine Ausbildung können verschiedene Weiterbildungen angehängt werden. Das kann sich langfristig sehr lohnen. Welche Möglichkeiten es gibt, zeigt das Beispiel eines angehenden Technikers.
Ein kleines Licht blinkt rhythmisch vor Johannes Michls Augen, immer im selben langsamen Takt hört man es zudem leise klacken. Der gelernte Mechatroniker schaut konzentriert auf die große Schaltplatte vor ihm. Tausende Kabel winden sich über und hinter die vielen kleinen Schalter, sogenannte Relais. Umgeben von einem sanften Geruch von Motoröl, der aus der großen Halle nebenan bis an seinen Arbeitsplatz zieht, verkabelt er die bunten Drähte vor ihm. Die Schaltplatte wird später einen Schiffsmotor auf den neuesten technischen Stand bringen. Das alles ist Teil seiner täglichen Arbeit. Seit September drückt Michl außerdem wieder die Schulbank – zumindest zweimal in der
Woche: Donnerstags und freitags bildet er sich an der Technikerschule in Augsburg weiter.
Für den 21-Jährigen war schon während der Ausbildung bei MAN Energy Solutions in Augsburg klar, dass es für ihn weitergehen soll, dass er sich tiefgründigeres Wissen aneignen möchte. „Ich habe die Weiterbildung angefangen, weil ich einfach für mich besser werden will“, erklärt Michl mit ruhiger Stimme. Später kann er als Techniker „höherwertige Aufgaben“übernehmen und etwa als
Serviceingenieur weltweit Geräte warten und instand halten.
Eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer aus dem vergangenen Jahr zeigt, inwiefern sich eine höhere Berufsbildung auszahlen kann: 58 Prozent der 20.000 befragten Absolventinnen und Absolventen verdienen nach ihrer IHK-Fortbildungsprüfung mehr Geld als vorher. 57 Prozent von ihnen gaben an, nach der Weiterbildung einen größeren Verantwortungsbereich im Job zu haben.
Ähnlich sieht es auch bei Handwerksberufen aus. Volker Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben, betont, dass man mit einer Ausbildung und entsprechenden Weiterbildungen alle Varianten des beruflichen Erfolgs erreichen könne. „Man kann sich immer in Schritten dem nächsten Ziel annähern“, sagt er. So sei es etwa möglich, als Handwerksmeister oder als geprüfter Betriebswirt einen Betrieb zu leiten oder sich selbstständig zu machen. Mit dem Meister, Techniker oder Fachwirt in der Tasche stehen den weitergebildeten Fachkräften außerdem die Türen zu Hochschulen offen. „Man fällt auch nicht nach unten“, betont Zimmermann, „selbst wenn man merkt, dass der Weg nichts für einen ist, hat man immer die Ausbildung in der Hinterhand.“
Laut dem bayerischen Wissenschaftsministerium wird auch Fachkräften ohne Fortbildungen in der Regel mit drei Jahren Berufserfahrung ebenfalls ein fachgebundener Hochschulzugang ermöglicht. Das bedeutet, dass die Arbeitskräfte Studiengänge in einem fachlich verwandten Bereich belegen können. Je nach Hochschule müssen individuelle Prüfungsverfahren im Vorfeld durchlaufen werden.
Bei MAN Energy Solutions lege man großen Wert darauf, Weiterbildungsinteressen ernst zu nehmen. Sabine Flemming, Personalleiterin am Standort Augsburg, sagt dazu: „Die Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg unseres Unternehmens.“In den Ausbildungsberufen machten die Fachkräfte von MAN Energy Solutions oftmals innerhalb der ersten fünf Jahre eine Weiterbildung. Der
Großteil beginne diese etwa zwei bis drei Jahre nach dem Ausbildungsabschluss. „Gerade im aktuellen Kampf um Fachkräfte ist es immens wichtig, nicht nur die richtigen Mitarbeitenden zu finden, sondern diese auch an das Unternehmen zu binden“, fügt sie an.
Ob Michl eines Tages ein Studium anhängen möchte, wisse er bisher nicht. Denn dank seiner Fortbildung wäre das auch mit seinem Realschulabschluss möglich. Sein Fokus liege auf dem anstehenden Techniker. Dieser entspricht einem Bachelorabschluss. „Ich gehe jetzt schon ganz neue Wege, die ich mir ganz zu Beginn der Ausbildung im Traum nicht ausmalen konnte“, gibt der 21-Jährige zu. Für die Arbeit um die Welt zu reisen, war für den heimatverbundenen Mann aus Wulfertshausen im Kreis AichachFriedberg bis vor Kurzem nicht denkbar. Doch mittlerweile freue er sich auf die Herausforderungen. Mehr noch: „Ich kann mir mittlerweile nichts Besseres vorstellen.“
Eine Weiterbildung ist laut Michl für jede Person empfehlenswert, die Herausforderungen nicht scheut und sich an den eigenen Erfolgen messen möchte. Carsten Oestreicher, Abteilungsleiter im Automationszentrum, sei früh klar gewesen, dass der Mechatroniker weiter gefordert und gefördert werden muss. Er sei „prädestiniert“dazu gewesen, nach der Ausbildung weitergebildet zu werden. „So was spürt man einfach“, sagt Oestreicher. Er tritt von hinten an seinen jungen Kollegen heran und klopft ihm stolz auf die Schulter. „Und wenn auch der junge Mitarbeiter selbst spürt, dass er im Betrieb weitere Chancen hat, dann ist das eine Symbiose.“