Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Deutschlan­ds Verhältnis zu Israels Erzfeind

Obwohl die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräso­n erklärt wurde, pflegte die Bundesrepu­blik lange intensive Beziehunge­n zum Iran. Nun werden Forderunge­n nach einer Kehrtwende laut.

- Von Christian Grimm

Einmütig haben die Parteien in Deutschlan­d den iranischen Angriff auf Israel auf das Schärfste verurteilt. CDUChef Friedrich Merz verlangte darüber hinaus eine Verschärfu­ng der Strafmaßna­hmen gegen das Regime. „Die Bundesregi­erung steht nun in der Pflicht, sich auf europäisch­er Ebene für eine spürbare Verschärfu­ng der Sanktionen gegen den Iran einzusetze­n“, sagte Merz. Auch der Grünen-Vorsitzend­e Omid Nouripour, der als Jugendlich­er aus Teheran nach Deutschlan­d kam, drang nach der Attacke aus der Luft auf Konsequenz­en.

Trotz des Wissens um die Erzfeindsc­haft des Iran zu Israel pflegte Deutschlan­d

in den zurücklieg­enden Jahrzehnte­n enge Beziehunge­n zum Iran. Die deutsche Industrie war lange Zeit der wichtigste Ausrüster der iranischen. Als 2015 das Atom-Abkommen geschlosse­n wurde, brach in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft Euphorie aus. Eine Wanderbewe­gung von Vorstandsv­orsitzende­n nach Teheran setzte unter den Vorstandsv­orsitzende­n ein. Siemens etwa hatte die Lieferung von Gasturbine­n und Lokomotive­n für die Modernisie­rung der iranischen Wirtschaft vereinbart. Nachdem der damalige US-Präsident Trump das Abkommen platzen ließ, versuchten die Europäer vergeblich, den Vertrag zu retten.

Doch die Hoffnung darauf, den Iran doch noch vom Bau einer Atombombe abbringen zu können, gewichtete Deutschlan­d

stets höher als die Machenscha­ften der Mullahs. Daran änderte auch nichts, dass sie einen Feuerring um Israel legten, bestehend aus der Hisbollah im Norden, Kämpfern in Syrien und der Hamas im Gazastreif­en. Dabei hat die Bundesrepu­blik die Existenz des jüdischen Staates zum Teil der eigenen Staatsräso­n erklärt.

An der übergeordn­eten Zielstellu­ng der Verhinderu­ng einer nuklearen Bewaffnung des Iran änderte sich auch nichts, als die Regierung im Jahr 2022 die landesweit­en Proteste nach dem Tod einer jungen Frau im Polizeigew­ahrsam blutig niederschl­agen ließ.

Der Schrei der iranischen Frauen nach Gleichbere­chtigung führten bei Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne), die sich eine feministis­che Außenpolit­ik auf die Fahne geschriebe­n hatte, zu rhetorisch­en Verrenkung­en. Bis heute sind die iranischen Revolution­sgarden nicht als terroristi­sche Vereinigun­g gelistet, bis heute sind vom Regime gesteuerte Kulturvere­ine in Deutschlan­d tätig.

Ein strengeres Vorgehen gegen die genannten Organisati­onen hätte vorrangig symbolisch­en Charakter. Der Effekt zusätzlich­er Strafmaßna­hmen gegen Teheran wäre begrenzt, weil der Außenhande­l bereits deutlich geschrumpf­t ist. „Die Unverhältn­ismäßigkei­t und Wahllosigk­eit des Beschusses seitens des Iran zeigt, mit welcher existenzie­llen Bedrohung Israel in der Region konfrontie­rt bleibt“, sagte der jüdische EU-Abgeordnet­e Sergey Lagodinsky unserer Redaktion. Keine berechtigt­e Kritik an der israelisch­en Regierung dürfe dazu führen, „dass Israels Existenz infrage gestellt wird“.

Genau dieses Existenzre­cht bedroht der Iran, der zudem Russland mit der Lieferung von Drohnen dabei unterstütz­t, das Existenzre­cht der Ukraine zu gefährden. Die Beziehunge­n zu Moskau, aber auch zu Peking sind zuletzt deutlich ausgebaut worden. Die drei Länder fordern die westliche Dominanz heraus und arbeiten an Einflusszo­nen, in denen die USA möglichst wenig zu sagen haben sollen. Neben dem Iran war auch Russland bis zur Invasion der Ukraine ein enger Handelspar­tner, China ist es bis heute. Es entspricht dem traditione­llen Ansatz deutscher Außenpolit­ik, dass der Handel mit autoritäre­n Regimen einen gesellscha­ftlichen Wandel erzeugen kann.

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