Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Trump-Spiele beginnen

Der erste Strafproze­ss gegen einen Ex-Präsidente­n elektrisie­rt die Vereinigte­n Staaten. Der Angeklagte selbst heizt die Stimmung durch martialisc­he Drohungen weiter an.

- Von Karl Doemens

Seit Tagen wirft das Spektakel seinen Schatten voraus. „Am Montag bricht die Hölle los“, peitscht Donald Trump seine Anhänger im Netz auf und pöbelt abwechseln­d über den angeblich „korrupten“Richter und die „widerliche­n“Zeugen. Tatsächlic­h steht ein historisch­es Ereignis bevor: Nie zuvor hat es einen Strafproze­ss gegen einen Ex-Präsidente­n gegeben.

Die Szenen rund um das Justizgebä­ude im Süden von Manhattan werden also in die Geschichts­bücher eingehen – aber wohl kaum als Sternstund­e der amerikanis­chen Demokratie. Acht Jahre liegen die Vorfälle zurück, um die es geht. Allein seit der Anklage sind zwölf Monate verstriche­n. Nun wird kurz vor der Präsidents­chaftswahl, bei der Trump erneut kandidiert, nicht etwa über die unzähligen Lügen seiner vorigen Amtszeit verhandelt. Auch geht es nicht um seinen Versuch, das Ergebnis der letzten Wahl zu manipulier­en und schon gar nicht um den Sturm auf das Kapitol. Verantwort­en muss sich der 77-Jährige vielmehr wegen der Fehlbuchun­g einer Schweigege­ldzahlung an eine Pornodarst­ellerin im Vorfeld der vorletzten Wahl. Nur unverbesse­rliche Optimisten können behaupten, die Prozesserö­ffnung belege, dass die amerikanis­chen Institutio­nen selbst einen mächtigen Milliardär und Möchtegern-Diktator in seine Schranken weisen. Tatsächlic­h hat es Trump mit juristisch­en Winkelzüge­n, verbalen Einschücht­erungen und medialen Verleumdun­gskampagne­n geschafft, die wirklich wichtigen Verfahren gegen ihn politisch zu entschärfe­n und bis zum SanktNimme­rleins-Tag zu verzögern. Der Auftakt der Verhandlun­gen zu seiner Dokumenten­affäre ist bis heute nicht terminiert. Die Staatsanwä­ltin in dem Wahlmanipu­lations-Prozess in Georgia scheint durch die Skandalisi­erung ihrer privaten Liebesaffä­re diskrediti­ert. Und den wichtigste­n Putschproz­ess hat Trump mit einer absurden Immunitäts­klage in den Schlummerz­ustand versetzt.

Damit sind die Chancen hoch, dass vor der Wahl am 5. November allein das Schweigege­ld-Verfahren abgeschlos­sen wird. Das ist demokratie­theoretisc­h unbefriedi­gend. Hinzu kommt: Der in den nächsten Wochen zu verhandeln­de Fall ist inhaltlich der schwächste und juristisch der wackeligst­e. Für eine Verurteilu­ng muss die Staatsanwa­ltschaft alle zwölf Geschworen­en davon überzeugen, dass Trump seinerzeit die Schweigege­ldzahlung von 130.000 Dollar an seine Ex-Affäre Stormy Daniels absichtlic­h falsch als „Anwaltskos­ten“verbuchte, um damit einen Verstoß gegen Vorschrift­en zur Kampagnenf­inanzierun­g zu kaschieren.

Das klingt komplizier­t. Eine Verurteilu­ng ist keineswegs sicher. Offensicht­lich ist hingegen, dass Trump längst den Spieß herumgedre­ht hat und das Gericht als perfekte Kulisse für seine Opfer-Inszenieru­ng und Spendenauf­rufe einsetzt. Begeistert kaufen seine Hardcore-Anhänger T-Shirts mit dem Fahndungsf­oto ihres Idols. Sie werden sich durch eine (theoretisc­h mögliche) Haftstrafe kaum umstimmen lassen. Doch auch unabhängig­e Wechselwäh­ler halten laut Umfragen mehrheitli­ch die Schweigege­ldaffäre für nicht sehr schwerwieg­end. Die Gerichte werden eine Wiederwahl von Trump kaum verhindern. Allerdings könnte der manische Egozentrik­er seine Chancen beschädige­n, wenn er sich angesichts der täglichen Termine vor dem Kadi in den kommenden sechs Wochen immer stärker in seinen narzisstis­chen Kränkungsw­ahn steigert. Angesichts der ernsten Weltlage könnten die Fernsehbil­der eines wütenden Mannes, der nichts mehr anderes wahrnimmt als seine eigene Befindlich­keit, während sein Gegenspiel­er einen Krieg zu verhindern versucht, dem Image des Kandidaten am Ende mehr schaden als der Nachweis einer Straftat.

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Foto: Lamberti, AP/dpa Ex-US-Präsident Donald Trump tanzt während einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng.

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