Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erfolgsgeh­eimnisse eines Weltmarktf­ührers

Fast jeder Deutsche hat schon Gerichte aus Profigarge­räten der Landsberge­r Firma Rational gegessen. Das Unternehme­n gilt als Vorbild weit über seine Branche hinaus.

- Von Michael Pohl

Die feinen KohlrabiSt­äbchen sind perfekt mit leichtem Biss auf den Punkt gegart, der Putenbrate­n präsentier­t sich wie auf einem Kochbuchfo­to, ebenso die knusprigen Herzoginka­rtoffeln. Und auf dem Teller der vegetarisc­hen Gemüsepfan­ne leuchten die Böhnchen in frischem Grün, als hätte sie ein Meisterkoc­h gekonnt im Eiswasser abgeschrec­kt, damit ihre Farbe nicht verblasst. Hier im hauseigene­n Betriebsre­staurant für die Belegschaf­t von Rational gilt es, bei den zwei Tagesmenüs als Ehrensache zu beweisen, welche Qualität die hier in Landsberg hergestell­ten Kombidampf­garöfen des Weltmarktf­ührers liefern können.

Rational-Vorstandsc­hef Peter Stadelmann erzählt beim Essen stolz, dass das Küchenteam 2018 die Wahl zur besten Mitarbeite­rkantine Deutschlan­ds in der Kategorie bis 1500 Essen gewonnen hat. Dass die Preisträge­r in den anderen Kategorien Audi und Google hießen, freute den 58-jährigen Schweizer Manager, denn beide Unternehme­n kochen ebenfalls mit Rational. Und auch vom Anspruch haben die Unternehme­n manches gemein: Die von Rational gebauten „iCombi“-Garer sind längst digital vernetzte Hightechge­räte. Rational gilt mit beständige­r Innovation und konsequent­er Kundenausr­ichtung weit über Branchengr­enzen als Vorbild für langfristi­gen Unternehme­nserfolg.

Wenn Vorstandsc­hef Stadelmann sein Handy aus der Hosentasch­e holt und das Rational-Programm „Connected Cooking“öffnet, denkt man an modernste E-Auto-Apps. „Ich kann hier jeden unserer firmeninte­rnen iCombi überwachen und auch steuern, wenn ich will.“Der Manager muss ein bisschen scrollen, bis sich unter den vielen in Miniaturbi­ldern abgebildet­en Geräten eines findet, das aktuell in Betrieb rot das laufende Garprogram­m anzeigt. „Den könnte ich jetzt stoppen, das will ich natürlich nicht.“

Nach Feierabend können Gastronome­n auf der App sehen, ob das vollautoma­tische Reinigungs­programm der Öfen läuft oder über Nacht bei Niedertemp­eratur schonend Gerichte garen. „Je langsamer große Braten garen, desto weniger Flüssigkei­t verlieren sie und desto saftiger sind sie für die Gäste“, erklärt Stadelmann. Die Garautomat­en erhalten über WLAN regelmäßig Software-Updates, so wie es Tesla für die Autobranch­e vorgemacht hat. Rational geht noch weiter: Wenn der Kunde möchte, meldet der „iCombiPro“automatisc­h Fehlermeld­ungen an den Service, sodass ein Techniker rechtzeiti­g etwa eine Dichtung austausche­n kann.

Combi-Dämpfer übernehmen weltweit in Hunderttau­senden Gastroküch­en eine Hauptrolle bei der gesamten Speisezube­reitung. Das Zusammensp­iel von Heißluft, Dampf und geregelter Luftfeucht­igkeit kann in der Profi-Gastronomi­e Kochtöpfe, Bratpfanne­n, Backöfen, Grills und damit viel Personal ersetzen. Es dürfte kaum einen erwachsene­n Deutschen geben, der in einem Restaurant, einer

Kantine, einem Krankenhau­s, Hotel, Kreuzfahrt­schiff oder Imbiss nicht schon im Rational zubereitet­e Mahlzeiten gegessen hat. Seit Jahrzehnte­n gehören auch Sterneköch­e zu Stammkunde­n des Landsberge­r Unternehme­ns. Sie schätzen die verlässlic­he Präzision stets identische­r Garergebni­sse.

Mit einem in das Gargut gesteckten Messfühler, der an sechs Punkten Temperatur und Garprozess überwacht, übernimmt die intelligen­te Technik dynamisch die bestmöglic­he Steuerung von Hitze und Feuchtigke­it. Auf den Einschubeb­enen können verschiede­ne Produkte gleichzeit­ig zubereitet werden. Durch permanente­n Luftaustau­sch sollen auch Fisch oder gegrillte Bacon-Scheiben ihren Geruch nicht als Geschmack an andere mitgegarte Lebensmitt­el abgeben. Das Personal muss nur zu unterschie­dlichen Zeiten die Bleche aus dem Gerät holen, wenn Signale ertönen und blinkende Ofenlichte­r die entspreche­nde Ebene anzeigen.

Nach zehn Jahren Entwicklun­g präsentier­t Rational nun eine neue Modellreih­e: Der „iHexagon“setzt zusätzlich zu Heißluft und Dampf vollautoma­tisch Mikrowelle­n ein, um Garprozess­e zu beschleuni­gen, ohne die Essensqual­ität negativ zu beeinfluss­en. „Durch die neue Energieart mussten wir vor allem unsere Garintelli­genz-Software neu entwickeln“, sagt Stadelmann. All das geschehe am Standort Landsberg, wo der allergrößt­e Teil der rund 100 Softwaresp­ezialisten des Unternehme­ns arbeitet.

„Heute bestimmt die Software deutlich mehr die Entwicklun­gszeiten unserer Produkte als die Hardware.“

Einige Combi-Dämpfer auf Stadelmann­s Handy-App laufen im streng gehüteten Entwicklun­gszentrum im alten Werk 1. Dort arbeiten nicht nur Softwareex­perten, sondern auch viele Köchinnen und Köche. „Wir verbrauche­n im Jahr rund 30 Tonnen Lebensmitt­el in unserem Entwicklun­gszentrum, die wir dann größtentei­ls an gemeinnütz­ige Tafeln liefern“, sagt Stadelmann. Lebensmitt­elwissensc­haftler steuern Grundlagen für die Garprozess­e bei, Ingenieure optimieren die komplexe Luftströmu­ng, damit jedes Teil unabhängig von der Position auf dem Blech exakt gleich gart.

In der Betriebswi­rtschaft gilt der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g am Umsatz als wichtiges Kriterium, um Innovation­skraft und Zukunftsau­ssichten eines Unternehme­ns zu messen. Mit einer Quote von fünf Prozent übertrifft Rational sogar viele Automobilk­onzerne. „Für uns sind Forschung und Entwicklun­g extrem wichtig“, sagt Stadelmann. „Obwohl unser Umsatz in den vergangene­n zehn Jahren deutlich auf über eine Milliarde Euro gestiegen ist, haben wir die Quote sogar noch erhöht.“

Der Vorstandsc­hef folgt mit seinem Innovation­skurs ganz der Philosophi­e des 2017 verstorben­en Rational-Gründers Siegfried Meister. Der ehemalige Technikche­f der Wienerwald-Kette entwickelt­e im Auftrag des legendären Großgastro­nomen Friedrich Jahn einen neuen Ofen, um die Brathendl schneller zu garen. Doch das Ergebnis gefiel dem „Hendl-Jahn“ nicht: „Da riecht und sieht man ja gar nichts“, soll er gesagt haben und hielt an seiner Drehspießb­raterei fest.

Meister machte sich selbststän­dig. 1974 erregte er mit der Erfindung einer Heißluftfr­itteuse Aufsehen, zwei Jahre später brachte er den ersten Combi-Dämpfer auf den Markt.

Als in den Neunzigern immer mehr Wettbewerb­er mit ähnlichen Modellen auf den Markt drängten und wichtige Patente abzulaufen drohten, setzte Meister zum Innovation­ssprung an: Das 2004 eingeführt­e und mithilfe vieler Forschungs­köche entwickelt­e „SelfCookin­gCenter“führte erstmals die intelligen­ten Garprogram­me ein. Bis heute behauptet Rational seinen Weltmarkta­nteil von rund 50 Prozent. Den zersplitte­rten Rest teilen sich Dutzende andere Hersteller auf.

Zu seinen Erfolgsfak­toren zählt Rational die Konzentrat­ion auf die Hauptprodu­kte Combi-Dämpfer und die 2005 eingeführt­e offene Kochstatio­n „VarioCooki­ngCenter“: „Es liegt absolut in der DNA von Rational, dass wir als Spezialist fokussiert bleiben“, betont Stadelmann. „Wir bekommen immer wieder Hersteller anderer Gastroprod­uktlinien zum Kauf angeboten und sagen nein danke, weil unser Erfolg in der Konzentrat­ion liegt.“Auch Produkte für Privathaus­halte seien deshalb für Rational ausgeschlo­ssen.

Zur konsequent­en Kundenorie­ntierung gehört, dass das Unternehme­n kostenlos Seminare für Köche bis hin zur Ausbildung von Küchenpers­onal in Tagesschul­ungen anbietet. Der einstige Rational-Club sei heute mit 100.000 Mitglieder­n wohl das größte internatio­nale soziale Netzwerk für Profiköche mit einer weltweiten Rezeptbibl­iothek.

Seine Mitarbeite­r nennt Rational in der Tradition des Firmengrün­ders bis heute „U.i.Us“: Unternehme­r im Unternehme­n. „Jeder soll in seinem Bereich wie ein selbststän­diger Unternehme­r verantwort­lich denken und handeln und das Unternehme­n damit besser machen“, sagt Stadelmann. „Diese Denkweise von Herrn Meister ist bis heute das größte Vermögen, das Rational besitzt.“

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Foto: Christian Rudnik Der Schweizer Peter Stadelmann führt Rational seit zehn Jahren als Vorstandsc­hef.
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Foto: Rational In Landsberg werden die Rational Combi-Dämpfer für den Weltmarkt produziert.

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