Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gemeinsam erben kann schwer sein

Geht ein Nachlass nicht nur auf eine Person, sondern gleich auf mehrere über, entsteht eine Erbengemei­nschaft. Das führt oft zu Konflikten – sie lassen sich aber vermeiden.

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Erbengemei­nschaft – der Begriff klingt nach gemeinsame­m Handeln, nach Verständni­s und Harmonie. Oft ist aber das Gegenteil der Fall. Wer Teil einer Erbengemei­nschaft ist, hat es schnell mit Streit und Missgunst zu tun. Doch mancher Zwist kann vermieden werden, wenn der Erblasser klare Regelungen trifft.

„Eine Erbengemei­nschaft entsteht, wenn mehrere Erben eines Nachlasses da sind“, erklärt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsf­ührer der Deutschen Vereinigun­g für Erbrecht und Vermögensn­achfolge (DVEV). Das ist der Fall, wenn die gesetzlich­e Erbfolge greift oder der Erblasser mehrere Erben einsetzt. Ziel einer Erbengemei­nschaft ist es, den Nachlass zu teilen.

Und genau da liegt das Problem. „Die Erbengemei­nschaft ist eine sogenannte Gesamthand­sgemeinsch­aft. Der Nachlass geht als Ganzes – ungeteilt – auf die Miterben über, er wird gemeinscha­ftliches Vermögen der Miterben“, sagt Bittler. Das bedeutet, Bankkonto, Immobilie, Schmuck oder Auto sind nicht einzelnen Erben zugeschrie­ben, sondern alle müssen gemeinsam darüber bestimmen, wie das Erbe aufgeteilt wird.

Erben zum Beispiel drei Kinder das Elternhaus, müssen sie gemeinsam entscheide­n, was damit geschehen soll. „Will einer der Erben darin wohnen, der andere das Haus verkaufen und der dritte die Immobilie zu einem ordentlich­en Preis vermieten, haben sie ein Problem“, so Bittler.

Alle Mitglieder einer Erbengemei­nschaft haben die gleichen Pflichten und Rechte. „Es gibt grundsätzl­ich keine Mehrheitse­ntscheidun­gen“, sagt Rechtsanwä­ltin Stephanie Herzog, Mitglied des Geschäftsf­ührenden Ausschusse­s der Arbeitsgem­einschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). Der Anteil des Einzelnen am Erbe hängt von seiner Quote ab, die sich in der Regel aus der gesetzlich­en Erbfolge ergibt. So erbt zum Beispiel der Ehepartner 50 Prozent, zwei Kinder jeweils 25 Prozent des Nachlasses. Was aber am Ende wie verteilt wird, müssen laut Herzog alle gemeinsam entscheide­n.

Selbst wenn alle Beteiligte­n eigentlich vernünftig sind und eine

gute Lösung anstreben, kann es vorkommen, dass sie sich nicht einigen können. „Oft geht es gar nicht so sehr um den eigentlich­en Nachlass, sondern eher um persönlich­e Befindlich­keiten, die noch aus der Kindheit herrühren“, sagt Stephanie Herzog. Ein Fachanwalt kann dabei helfen, die Situation nüchtern zu analysiere­n und mit den Miterben zu verhandeln.

Denn irgendwann sollte eine Erbengemei­nschaft einfach auseinande­rgesetzt sein. „Solange das Erbe allen gehört, muss es auch gemeinsam verwaltet werden“, sagt Stephanie Herzog. Wenn keine Einigung gefunden wird und jeder auf seinem Standpunkt beharrt, kann dieser Schwebezus­tand Jahre

dauern und für alle Beteiligte­n teuer werden.

Wer keine Lust auf einen erwartbare­n Erbschafts­streit in einer Erbengemei­nschaft hat, kann sich heraushalt­en, indem er das

Erbe ausschlägt. „Das muss aber spätestens sechs Wochen nach Bekanntwer­den des Erbfalls erfolgen“, so Stephanie Herzog. In dieser kurzen Zeit hat man sich meist noch gar kein vollständi­ges Bild über das Erbe gemacht und veres

zichtet möglicherw­eise auf viel Geld.

Das letzte Mittel, die Erbengemei­nschaft aufzulösen, wenn keine Einigung in Sicht ist, ist die Teilungsve­rsteigerun­g. „Jedes Mitglied kann die Versteiger­ung des Erbes veranlasse­n“, sagt Rechtsanwa­lt Martin Wahlers, Autor des Ratgebers „Erbengemei­nschaft“der Verbrauche­rzentrale NRW. Das geht auf Antrag beim zuständige­n Amtsgerich­t. Auf diesem Weg kann zum Beispiel das Elternhaus, über das sich die Erben nicht einigen können, zu Geld gemacht werden. „Das ist aber immer ein schlechter Weg, denn es entstehen hohe Kosten“, sagt er. „Und der Erlös ist meist auch geringer.“Aber erhöhe schon ein wenig den Druck in der Erbengemei­nschaft, wenn einer damit drohe, das Erbe zu zerschlage­n und etwa das Familienhe­im zu versteiger­n. „Das kann die Bereitscha­ft schon erhöhen, doch noch einmal miteinande­r zu reden“, so Wahlers. Sofern Testament oder Erbvertrag das nicht ausschließ­en, können Miterben ihren Erbteil alternativ auch an einen Investor verkaufen, der damit seinerseit­s Teil der Erbengemei­nschaft wird. Dann ist es an ihm, sich mit den verbleiben­den Miterben auseinande­rzusetzen. Darauf weist das Deutsche Erbenzentr­um hin.

Hat ein Investor ein Angebot für den Kauf eines Erbteils unterbreit­et, können die Miterben noch von ihrem Vorkaufsre­cht Gebrauch machen und den Erbteil selbst erstehen. Für Verkäufer kann das im Zweifel eine schnelle Lösung sein. Sie ist allerdings ebenfalls mit Erlöseinbu­ßen verbunden. Ob es zur Lösung des Konflikts in der Erbengemei­nschaft beiträgt, ist ebenso fraglich.

Rechtsanwa­lt Wahlers gibt zu bedenken, dass die Erben nicht ausschließ­lich ihre eigenen Interessen und Befindlich­keiten im Auge haben sollten. „Ein anderer Ansatz wäre, sich zu fragen: Was hätten die Eltern sich eigentlich gewünscht?“Das eröffne eine ganz andere Streiteben­e, bei der man vielleicht doch noch zu einer guten Lösung kommt.

„Am wenigsten Streit dürfte es geben, wenn die Erblasser im Vorfeld klare und vernünftig­e Regelungen treffen“, sagt Stephanie Herzog. Das kann zum Beispiel in einem Testament oder in einem Erbvertrag geschehen. Darin kann detaillier­t festgelegt werden, wer was aus dem Nachlass bekommen soll. Oder es wird eine Teilungsan­ordnung bestimmt. Im Erbfall müssen sich dann alle daran halten.

„Mit seinem Handeln entscheide­t der Erblasser im Vorfeld darüber, ob eine Erbengemei­nschaft entsteht“, sagt Stephanie Herzog. „Wenn die gesetzlich­e Erbfolge greift, ist das fast immer der Fall.“Wer das vermeiden will, ist gut beraten, rechtzeiti­g mit den potenziell­en Erben zu reden und dann entspreche­nde Entscheidu­ngen zu treffen. (Katja Fischer, dpa)

Teilungsve­rsteigerun­g als letztes Mittel

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Foto: Christin Klose, dpa Gibt es mehrere Erben, müssen sich diese untereinan­der einigen, wenn keine klare Regelung aus dem letzten Willen der Erblasser hervorgeht.

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