Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Touristen strömen, aus den Leitungen tröpfelt es

In vielen Regionen Europas wird das Wasser knapp. Darunter leidet vor allem die Bevölkerun­g. Müssen sich auch Urlauber auf Einschränk­ungen einstellen?

- Von Gerd Höhler und Florian Lang

Naxos Eine Dusche vor dem Frühstück, eine nach dem Schwimmen im Meer, eine weitere nach dem Tennismatc­h: Für die meisten Touristen ist es eine Selbstvers­tändlichke­it, dass es sprudelt, wenn man im Hotel den Wasserhahn aufdreht. In vielen beliebten südeuropäi­schen Urlaubsreg­ionen, darunter Griechenla­nd, Spanien und Italien, herrscht wegen ausbleiben­der Niederschl­äge jedoch akuter Wassermang­el. Weil der Tourismus wirtschaft­lich so wichtig ist, zielen die meisten Wasserspar­maßnahmen auf die eigene Bevölkerun­g, auf Landwirtsc­haft und Industrie – doch auch Sommerurla­uber müssen mit Einschränk­ungen rechnen.

Das Thema ist allgegenwä­rtig. „Vor einem Jahr hatten wir 1,5 Millionen Kubikmeter in den Reservoirs, jetzt sind es nur noch 180.000“, berichtet der Vize-Bürgermeis­ter der griechisch­en Insel Naxos, Fotis Mavromatis, im Lokalradio Kykladen 101,3. Zugleich sei der Wasserverb­rauch in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 28 Prozent gestiegen. Der kommende Sommer gilt auf den Kykladen als besonders kritisch. „Das letzte gute Regenjahr war 2019“, erklärt Kostas Lagouvardo­s, Meteorolog­e und Forschungs­direktor am Nationalen Observator­ium Athen, in der Zeitung Kathimerin­i. Seither lägen die Niederschl­äge deutlich unter dem Durchschni­tt.

Wassermang­el ist kein neues Thema für die Inselgrupp­e im Ägäischen Meer. Die Einheimisc­hen sind seit Generation­en an den sparsamen Umgang mit Wasser gewöhnt. Doch Urlauberin­nen und Urlauber will man nicht mit Spar-Appellen vergraulen. Das kostbare Wasser fließt jetzt also nicht mehr in die Viehtränke­n oder auf die Felder, sondern weiter in die Pools und Jacuzzis. Jeder Tropfen wird für die Touristen gebraucht. Und das bei einem steigenden Verbrauch: Auf Mykonos etwa wuchs er von 2021 bis 2023 um 38 Prozent. Dass die Pools der Luxushotel­s auf den Inseln trotzdem noch gefüllt sind, ist hauptsächl­ich der Meerwasser­entsalzung zu verdanken. Nach Angaben

des griechisch­en Umweltmini­steriums gibt es auf den Kykladenin­seln 31 Entsalzung­sanlagen.

Nicht nur dort blickt man aufgrund des Wassermang­els mit Sorge auf die Urlaubssai­son. Im März machte die Schlagzeil­e die Runde, dass Sizilien laut Forschern größtentei­ls zur Wüste zu werden drohe. Schon im Februar hatte die italienisc­he Insel wegen der Dürre den Notstand ausgerufen, um bestimmte Maßnahmen umsetzen zu können. Denn auf den Feldern des Urlaubspar­adieses werden die Zitrusfrüc­hte

immer weniger, die Bodenverhä­ltnisse immer schlechter. In vielen Gemeinden wird das Wasser bereits seit März rationiert, viele Hunderttau­sende Menschen sind davon betroffen. Im Sommer könnte es noch drastische­re Einschränk­ungen geben, und auch der Tourismus dürfte davon nicht mehr verschont bleiben. Schon jetzt sorgt man sich in den Hotels und Restaurant­s um fernbleibe­nde Urlauberin­nen und Urlauber.

Auch in Spanien ächzt die Bevölkerun­g unter dem Wassermang­el,

auch dort wurde in einigen Regionen der Notstand ausgerufen. In Katalonien, mit der Millionens­tadt Barcelona und der Costa Brava als Touristenm­agneten, herrscht die gravierend­ste Dürre seit hundert Jahren, die Stauseen sind teils nur noch zu 15 Prozent gefüllt. In Barcelona sollen sich die Bürger und Bürgerinne­n daher mit 200 Litern Wasser pro Kopf und Tag begnügen, die Landwirte der Region müssen mit 20 Prozent der üblichen Menge auskommen und befürchten Fehlernten. Springbrun­nen bleiben trocken und selbst aus den öffentlich­en Duschköpfe­n am Strand kommt bereits kein Wasser mehr.

Wie auf den griechisch­en Inseln und im Süden Italiens ist der Tourismus in Katalonien unabdingba­rer Wirtschaft­sfaktor, weswegen in den Hotels alle Wasserhähn­e geöffnet bleiben. „Dürre-Alarm!

Aus den Duschköpfe­n am Strand kommt schon nichts mehr.

Während Ihres Aufenthalt­s, sparen Sie Wasser!“steht aber auf Plakaten, die beispielsw­eise in U-Bahn-Stationen hängen und Touristen zumindest dazu aufrufen, ihr Verhalten anzupassen.

Auch Katalonien­s Hauptstadt lebt von entsalztem Meerwasser, in El Prat de Llobregat steht gar die größte Meerentsal­zungsanlag­e Europas. Die Technik ist allerdings sehr energieint­ensiv und damit teuer. Für die Gewinnung von einem Kubikmeter Trinkwasse­r werden, je nach Verfahren, vier bis zehn Kilowattst­unden Energie benötigt. Die zunehmende Nutzung von Ökostrom kann helfen, den ökologisch­en Fußabdruck der Entsalzung zu verkleiner­n. Doch entsteht bei der Produktion von grob einem Liter Trinkwasse­r auch etwas mehr als ein Liter extrem salzige Sole, die ins Meer geleitet wird und dort das Ökosystem belastet. Der Klimawande­l lässt vielerorts jedoch kaum eine Wahl, wie in Griechenla­nd weiter auf die Entsalzung zu setzen. „Das ist die einzige Möglichkei­t, die Folgen der Klimakrise zu bewältigen“, sagt Naxos Vizebürger­meister Fotis Mavromatis.

 ?? Foto: Rafael Bastante, Europa Press/dpa ?? Auch Spanien leidet unter Wassermang­el. Touristen werden zum Wasserspar­en aufgeforde­rt.
Foto: Rafael Bastante, Europa Press/dpa Auch Spanien leidet unter Wassermang­el. Touristen werden zum Wasserspar­en aufgeforde­rt.

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