Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Leib Crispy

Wegen Blasphemie wird ein italienisc­her TV-Werbespot abgesetzt. Scharfe Kritik kommt von Katholiken – und von Avvenire, der Zeitung der Bischöfe.

- Von Julius Müller-Meiningen

Ganz in Weiß schreiten die Nonnen aus dem Kreuzgang in die Kirche. Im Hintergrun­d ist das „Ave Maria“von Franz Schubert zu hören. In der Kirche am Altar bereitet der Priester die Kommunion vor. Die schöne Ordensschw­ester, die als erstes die Hostie in den Mund gelegt bekommt, ist beim knackigen Biss in dieselbe fassungslo­s vor Genuss. Anstatt einer trockenen Oblate hat der fast blinde Priester der Nonne einen Kartoffelc­hip auf die Zunge gelegt.

Den 30 Sekunden langen TVSpot, der bis vor wenigen Tagen noch auf den italienisc­hen Mediaset-Kanälen ausgestrah­lt wurde, fanden nicht alle witzig. Der Verband der katholisch­en Fernsehzus­chauer, Aiart, forderte die „sofortige Einstellun­g“der Werbung, und hatte damit Erfolg. Giovanni Baggio, Vorsitzend­er des Verbands, beschuldig­te den Kartoffelc­hips-Hersteller Amica, Blasphemie zu betreiben, um den Absatz des eigenen Produkts zu steigern.

Baggio behauptete, die Werbung verletze „die Sensibilit­ät von Millionen praktizier­ender Katholiken“und sei „empörend“, weil darin ein Kartoffelc­hip der geweihten Hostie, dem Leib Christi, gleichgese­tzt werde.

Die katholisch­en Fernsehzus­chauerinne­n und -zuschauer standen mit ihrer Kritik nicht allein da. Auch die Zeitung Avvenire, das Blatt der italienisc­hen Bischöfe, kommentier­te den Werbespot in einem Artikel mit der Überschrif­t „Beleidigun­g der Eucharisti­e und der Nonnen“. Christus sei auf einen Kartoffelc­hip reduziert worden, „erniedrigt und verleumdet wie vor 2000 Jahren“. Vielleicht schoss die Kritik damit aber auch ein wenig über das Ziel hinaus, indem sie die Leidensges­chichte Jesu in einem ironischen Werbespot fortgesetz­t sah.

Wie auch immer: Das Institut für die Selbstkont­rolle in der Werbung (IAP) setzte ihn kürzlich tatsächlic­h ab. Entscheidu­ngsgrundla­ge war Artikel 10 des Kodex für die Selbstkont­rolle der kommerziel­len Kommunikat­ion. Der untersagt die Beleidigun­g „moralische­r, ziviler und religiöser Überzeugun­gen“. Ob das nun ein Gewinn oder Verlust ist, kommt ganz auf den Standpunkt an. Das italienisc­he Fernsehpub­likum kann jetzt jedenfalls nicht mehr sehen, wer die Urheberin des perfiden Tauschs von Chip und Hostie ist: Am Ende des Spots ist die übergewich­tige Ordensober­e zu sehen, wie sie sich ebenso genüsslich wie zwanghaft den Rest der Chips-Packung einverleib­t. „Das alltäglich Göttliche“, sagt dann eine Sprecherin und preist die italienisc­he Kartoffelc­hips-Marke an.

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Foto: Robert Michael, dpa Geschmacks­sache? In dem TV-Werbespot legt ein Priester einer Nonne einen Kartoffelc­hip statt einer Hostie auf die Zunge.

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