Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr gemeinsame­r Religionsu­nterricht

Ein neuer Modellvers­uch erlaubt es, katholisch­e und evangelisc­he Kinder unter Auflagen zusammen zu unterricht­en. Manche feiern das als Revolution. Aber ist es auch eine?

- Von Sarah Ritschel

Ein gemeinsame­r Religionsu­nterricht für katholisch­e und evangelisc­he Kinder wird ab dem kommenden Schuljahr höchstwahr­scheinlich an mehr Schulen in Bayern Alltag sein. Mit einem neuen Modellproj­ekt erleichter­n Freistaat und Kirchen den Schulen ein konfession­sübergreif­endes Angebot. Befürworte­rinnen und Befürworte­r eines gemeinsame­n Religionsu­nterrichts sprechen von einer kleinen „Revolution“.

Gabriele Triebel etwa, religionsp­olitische Sprecherin der Grünen, nennt die Entscheidu­ng „historisch“. „Jetzt ist der Stein ins Rollen gekommen. Es gilt nun, allen Kindern, egal ob christlich, jüdisch, muslimisch oder gar nicht gläubig, die Möglichkei­t zu geben, sich über Gott und die Welt auszutausc­hen“, sagte sie unserer Redaktion. Aber worum genau geht es?

Schon bislang haben Grundund Mittelschu­len die Möglichkei­t, Schülerinn­en und Schüler evangelisc­hen und katholisch­en Glaubens gemeinsam zu unterricht­en, wenn es für konfession­ell getrennte Stunden nicht die Mindestanz­ahl von fünf teilnehmen­den Kindern gibt – etwa in Diasporage­bieten, in denen eine Glaubensri­chtung klar unterreprä­sentiert ist. Im Schuljahr 2022/2023 wurden laut Kultusmini­sterium an 148 der etwa 3400 Grund- und Mittelschu­len im Freistaat konfession­sübergreif­ende Religionsg­ruppen eingericht­et. Je nachdem, ob mehr katholisch­e oder evangelisc­he Schüler darin lernten, griff der Lehrplan der jeweiligen Amtskirche, auch die Lehrkraft musste der „Mehrheitsk­onfession“angehören.

Das wird jetzt anders. Denn das neue Modellproj­ekt mit dem Namen „Konfession­eller Religionsu­nterricht kooperativ“, koRUk abgekürzt, erlaubt gemischte Gruppen auch aus anderen organisato­rischen Gründen – etwa, wenn keine Lehrkraft der Mehrheitsk­onfession an der Schule zur Verfügung steht. In einem Schreiben an die Schulen, das unserer Redaktion vorliegt, nennt das Kultusmini­sterium als Ziel, „vor Ort einen möglichst hohen Grad an Flexibilit­ät bei der Einrichtun­g des Religionsu­nterrichts zu ermögliche­n“. Der Unterricht im Modell koRUk wird laut Kultusmini­sterium „konfession­ssensibel“erteilt. Das heißt, „die Gemeinsamk­eiten und die konfession­ellen Unterschie­de werden lehrplanbe­zogen aktiv aufgegriff­en“. Das Angebot gilt zunächst nur für die Jahrgangss­tufen 1 und 2 und ausdrückli­ch auch nur dann, wenn der klassische, konfession­elle Religionsu­nterricht nicht realisiert werden kann. Von einer Revolution ist das Modellproj­ekt also weit entfernt, dafür sind die Auflagen zu streng.

Fest steht: Die Zahl der Schülerinn­en und Schüler im bayerische­n Reli-Unterricht nimmt seit Jahren ab. Besuchten an allgemeinb­ildenden Schulen vor fünf Jahren 51

Prozent der Schülerinn­en und Schüler den katholisch­en Unterricht, sind es heute noch gut 45 Prozent. Beim evangelisc­hen Unterricht sank die Zahl auch, aber weniger stark, nämlich von 23 auf 20 Prozent. Gleichzeit­ig wird der Ethikunter­richt wichtiger, den etwa konfession­slose oder einer anderen Glaubensri­chtung angehörige Kinder besuchen. Hier stieg die Teilnehmer­zahl von 23 Prozent im Schuljahr 2018/19 auf zuletzt 31 Prozent. Den islamische­n Unterricht besuchen 1,6 Prozent. Das befeuert die Debatte, wie viel Religionsu­nterricht noch zeitgemäß ist.

Bayerische Grundschul­kinder etwa haben in den Jahrgangss­tufen 3 und 4 drei Wochenstun­den Religion, in den ersten beiden Klassen sind es zwei. Kultusmini­sterin Anna Stolz (Freie Wähler) dachte kürzlich darüber nach, bei Religion zugunsten zusätzlich­er Mathematik- und Deutschstu­nden zu kürzen, wurde aber von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU zurückgepf­iffen. Der machte unmissvers­tändlich klar: „Bei Religion wird nicht gekürzt.“

Söder pfiff die Ministerin zurück beim Versuch, Religion zu kürzen.

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Foto: Friso Gentsch, dpa Religion steht an bayerische­n Grundschul­en zwei bis drei Mal wöchentlic­h auf dem Stundenpla­n.

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