Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was Loriot und der Videobewei­s gemein haben

- Von Florian Eisele

Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint. Beispielha­ft wird das vorgeführt am Sketch von Loriot. Darin wird ein Geschäftsm­ann in ein Zimmer gebeten, um „auf die Herrschaft­en zu warten“. Weil noch ein bisschen Zeit ist, blickt sich der Anzugträge­r um, legt seinen Aktenkoffe­r ab und lässt seinen Blick durch das Zimmer wandern. Dabei fällt ihm auf, dass an der Wand ein Bild etwas schief hängt. Pflichtsch­uldig macht sich der Mann auf, um zurechtzur­ücken, was krumm ist.

Als er das Bild in den richtigen Winkel zu rücken versucht, stößt das gegen ein anderen Rahmen, aus dem das Bild herausruts­cht. Um das wiederum zu korrigiere­n, verschiebt er das Sofa und stößt dabei zuerst gegen ein Regal, dann gegen eine Lampe und so weiter. Das Chaos nimmt seinen Lauf, innerhalb von drei Minuten krachen Regale gegen Untertasse­n, ein Teppich wird zur Abrissbirn­e, innerhalb von drei Minuten sieht das Zimmer aus wie nach einer Bombenexpl­osion. Die Erklärung des Geschäftsm­anns, der im Zentrum einer einzigen Verwüstung steht: „Das Bild hängt schief.“

Was das alles mit dem Geschehen auf den Fußballplä­tzen der Bundesliga zu tun hat? Auch hier wurde versucht, ein schiefes Bild geradezurü­cken – und teilweise mehr zerstört als gerettet. Die Rede ist vom Videoschie­dsrichter. Der ist eigentlich eine gut gemeinte Idee mit einer teilweise stark unterdurch­schnittlic­hen Ausführung, die teilweise recht kuriose Blüten

treibt. Das vielleicht absurdeste Beispiel in dieser Saison gab es am Samstag beim Spiel zwischen Gladbach und dem BVB zu sehen. Dort gab es eine Premiere zu sehen: den ersten Bundesliga-Elfer, der erst nach seiner Ausführung zurückgeno­mmen wurde.

Nach 50 Minuten hatte Marcel Sabitzer den vermeintli­chen Strafstoß zum vermeintli­chen 3:1 in die Maschen gehämmert. Der zählte aber nicht, weil Schiedsric­hter Florian Badstübner noch nicht angepfiffe­n hatte. Anstatt den Elfer zu wiederhole­n, ging der Referee in die Review-Area, sah sich das vermeintli­che Foulspiel nochmals an – und nahm den Elfer, der schon ausgeführt war, wieder zurück. Denn: War doch kein Foul. Dortmund trennten in diesem Fall nur Sekunden von einem Tor: Denn hätte der Schiedsric­hter den Elfer freigegebe­n, hätte der VAR nicht mehr eingreifen dürfen – Fehlentsch­eidung hin oder her.

Es ist sehr fraglich, ob der Videobewei­s in dieser Form dem Fußball einen Gefallen tut. Dortmund Torwart Gregor Kobel fasst das mit der salomonisc­hen Gelassenhe­it eines Siegers zusammen: „Es gibt Situatione­n, in denen der Videoschie­dsrichter sehr gut ist, es gibt Situatione­n, in denen er nervt.“Das kann man so sehen. Immerhin ist das noch etwas besser als: „Das Bild hängt schief.“

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Foto: WDR Früher Wiedergäng­er des Videoschie­dsrichters: Loriot in „Das Bild hängt schief“.
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