Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie „Don Pablo“seine Heimat fand
Pablo Oliveira Gonzalez, den alle nur „Pablo“nennen, wuchs in Brasilien auf. Heute ist er Gastronom auf dem Stadtmarkt. Er erzählt seine bewegte Geschichte.
Freitagnachmittag, Pablo Oliveira Gonzalez hat einen hektischen Arbeitstag hinter sich. An seinem Stadtmarkt-Stand in der Fleischmarkthalle ist er noch mit letzten Aufräumarbeiten beschäftigt. Es war heiß heute, deshalb ist nicht ganz klar, ob ihm der Schweiß wegen der Hitze oder der Anstrengung auf der Stirn klebt. Die Haare hat er in einem Dutt zusammengebunden. Er trägt luftige Kleidung, deren Lässigkeit zu ihm passt – dem Mann, dessen langer Weg hierher einst in Brasilien begann.
Normalerweise ist Gonzalez, den alle nur „Pablo“nennen, von Montag bis Samstag auf dem Stadtmarkt, gelegentlich macht er montags frei. Hier verkauft er spanisch-portugiesisch-brasilianische Spezialitäten wie etwa das Reisgericht Paella, „Empanadas“genannte Teigtaschen oder den Fischeintopf Moqueca de Peixe. An diesem Nachmittag hat er all das schon serviert, also setzt er sich mit einer Tasse Kaffee an einen Tisch vor die Markthalle und dreht sich gemütlich eine Zigarette. Dann beginnt er zu erzählen – mit portugiesisch-spanischem Akzent, manchmal auch mithilfe englischer Begriffe.
Aufgewachsen ist der heute 45-Jährige, so erzählt er es, in Porto Alegre im Süden Brasiliens – eine Stadt mit rund 1,5 Millionen Einwohnern. Die Schule habe er in Brasilien beendet, sich anschließend aber nicht an einer Universität beworben. Das Lernen aus und mit Büchern habe ihn nie sonderlich interessiert. Vielmehr sagt er: „Meine Universität ist Life, Leben, Street“. Und lacht.
Gonzalez hatte nach eigener Auskunft schon seit seiner Kindheit den Wunsch, Brasilien zu verlassen – Wunschziel waren eigentlich die USA. Doch ein Visum zu erhalten, gestaltete sich als
schwierig. Ein Bekannter riet ihm, nach Spanien zu ziehen. Seine italienischen Wurzeln ermöglichten es ihm, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu beantragen, sodass er im Alter von 24 Jahren den Schritt nach Spanien wagte. Dort arbeitete er zunächst in der Bühnentechnik bei Konzerten, oder er verteilte Anzeigen in Briefkästen. Über Kontakte einer Freundin erhielt Gonzalez dann seinen ersten Job in der Gastronomie. In einem kleinen italienischen Restaurant in Madrid
begann er als Tellerwäscher. Bald darauf war er bereits Aushilfe in der Küche. Er wechselte immer wieder das Restaurant und verbrachte die Sommer teilweise zur Urlaubssaison auf Mallorca.
Nach zwei Jahren in Spanien führte ihn dann die Liebe nach Deutschland. Auf Mallorca verliebte er sich in die deutsche Urlauberin Irina Pilschikov. Nach ein paar Monaten, im Jahr 2009, entschied er sich dazu, zu ihr nach Augsburg zu ziehen. Als er dann
zum ersten Mal den Augsburger Stadtmarkt besichtigte, erzählt er, sei er sofort beeindruckt gewesen – und habe schnell davon geträumt, eines Tages selbst einen Stand zu eröffnen. Zunächst arbeitete er jedoch wieder in einem italienischen Restaurant. Vier Jahre später begann er dann eine Kochausbildung im Restaurant Die Ecke.
Die Coronapandemie traf Gonzalez mit voller Härte, die Restaurants mussten schließen und Gonzalez
verlor seinen Job. So arbeitete er für ein Jahr bei der Deutschen Post, während er nebenbei ein Catering-Service betrieb. Das Jahr 2022 brachte jedoch eine glückliche Wendung, als seine Partnerin es schaffte, einen Platz am Stadtmarkt zu ergattern. An Samstagen unterstützt sie ihn nach wie vor mit seinem Stand.
„Ich arbeite mit Herz“, sagt Gonzalez und zeigt auf seine linke Brust, „die Leute lachen ohne Ende mit mir.“Seine Fähigkeit, mit Menschen verschiedenster Herkunft ins Gespräch zu kommen und ihnen ein Lachen zu entlocken, ist neben dem Kulinarischen das zweite große Talent, das sich täglich an seinem Stand beobachten lässt. Wenn Gonzalez nicht kocht, dann malt er gerne oder legt als DJ auf.
Auf seinem Smartphone zeigt er Fotos von seinen Bildern: Sie sind bunt, modern und strahlen genauso viel Lebensfreude wie er selbst aus. Auch sein Musikgeschmack ist vielfältig, er reicht von Rap über Funk zu Jazz bis zu Rock. Seine brasilianische Heimat vermisst er nach eigener Auskunft kaum, in Augsburg gefalle es ihm gut. Seine engere Familie lebt mittlerweile auch nicht mehr in Brasilien, sondern in Spanien. Entschlossen sagt er: „Ich bleibe in Augsburg. Hier bin ich sehr glücklich.“Seine Lebenseinstellung sei: „Es geht nicht um Geld, es geht darum, gut zu essen, die Rechnungen pünktlich zu bezahlen und gut zu leben.“
Seit bald zwei Jahren ist Gonzalez inzwischen am Stadtmarkt, am 13. Juni feiert er in seinem Stand das kleine Jubiläum. Für die Zukunft hat Gonzalez noch einen Wunsch: Er möchte ein kleines Lokal in Augsburg eröffnen, in dem er seinen Gästen japanisches Sushi zubereitet. Dann muss er aber los, den Stand noch fertig aufräumen. Er verabschiedet sich locker per Faustcheck.