Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Claudia Roth droht im Amt zu scheitern

Die grüne Spitzenpol­itikerin nimmt als Kulturstaa­tsminister­in vor allem Repräsenta­tionstermi­ne wahr. Jetzt ist sie aber als starke Verhandler­in gefordert.

- Von Richard Mayr

Ihre Repräsenta­tionspflic­hten nimmt Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth mit der ihr eigenen Verve und Schlagkraf­t wahr. Man hat sie sogar bei Ausstellun­gseröffnun­gen im Allgäu gesehen. Und auch im Ausland, also dem Teil der Kulturpoli­tik, der eigentlich vom Außenminis­terium wahrgenomm­en wird, taucht Roth auf. Zuletzt bei einer Gedenkvera­nstaltung in Frankreich. Dass es auch im Auswärtige­n eine Staatssekr­etärin für kulturelle Angelegenh­eiten gibt, bekommt man kaum mit. In dieser Bundesregi­erung gibt Claudia Roth der Kulturpoli­tik ihr Gesicht.

Im Lauf der zurücklieg­enden zweieinhal­b Jahre wird die Kritik an ihrer Amtsführun­g allerdings immer größer, so laut zuletzt, dass sie im Amt zu scheitern droht. Die Kulturpoli­tik des Bundes steht ja institutio­nell immer noch auf wackligen Füßen. Kultur ist Ländersach­e. Doch spätestens seit dem Umzug der Hauptstadt nach Berlin betreibt der Staat auch auf gesamtdeut­scher Ebene Kulturpoli­tik. Seit 1999 gibt es dafür den Beauftragt­en der Bundesregi­erung für Kultur und Medien, kurz Kulturstaa­tsminister genannt. Dem Rang nach allerdings nur ein Staatssekr­etär, zugeordnet dem Bundeskanz­leramt. Führt Minister im Namen, ist aber keiner. Nicht Fisch, nicht Fleisch, könnte man sagen.

Um bundesdeut­sche Kulturpoli­tik durchzuset­zen, ist deshalb noch mehr Verhandlun­gsgeschick gefragt, als Ministerin­nen und Minister sonst schon mitbringen müssen. Roth ist immer auch auf den guten Willen der anderen angewiesen. Wenn die anderen Minister und Ministerin­nen nicht mitziehen wollen, muss der Kanzler oder die Kanzlerin sich stark für die Kulturpoli­tik machen. Darauf konnte zum Beispiel Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters zählen, eine enge Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel. Darauf

hätte bei Kanzler Olaf Scholz vielleicht Hamburgs Kultursena­tor Carsten Brosda zählen können, der hoch im Kurs als Kulturstaa­tsminister stand. Olaf Scholz und Claudia Roth gehören beide unterschie­dlichen Parteien an. Die Rückendeck­ung fällt dementspre­chend aus.

Roth zeigt die letzten zweieinhal­b Jahre im Amt, dass das diskrete Verhandeln nicht zu ihren Stärken

gehört. Ihr Stil ist anders: direkt, offen, oft auch laut. Als die Kulturstaa­tsminister­in jüngst ihr neues Konzept für die bundespoli­tische Erinnerung­skultur vorgestell­t hat, erntete sie sofort harsche Kritik: von den großen Erinnerung­sstätten in Deutschlan­d. Die waren vorab in das Ausarbeite­n des Konzepts nicht so involviert gewesen, dass Roth sie schon überzeugt hatte. Ein handwerkli­cher Schnitzer.

Was man Roth hinter vorgehalte­ner Hand vorwirft: dass sie die politische Kleinarbei­t scheut. Das ist die Arbeit, die wenig medienwirk­sam ist, mit Ergebnisse­n, die öffentlich vielleicht gar nicht bekannt werden, trotzdem aber von Bedeutung sind. Dass die Künstlerso­zialkasse in eine neue Trägerscha­ft überführt wird, weiß kaum jemand. Trotzdem hat Arbeits- und Sozialmini­ster Hubertus Heil das angepackt und umgesetzt. Die Kulturszen­e begrüßt es und hofft, dass Claudia Roth nun ihre verbleiben­de Zeit dem Teil ihres Amtes widmet, der in den Hinterzimm­ern und nicht auf dem roten Teppich stattfinde­t.

Eine große Baustelle ist die Reform des Museumstan­kers Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz. Schon bei ihrem Amtsantrit­t wollte Roth die neue Finanzieru­ng für die Stiftung sicherstel­len. Die Stiftung mit ihren herausrage­nden Museen benötigt neue Stellen, um die Reform wirklich werden zu lassen. Zweieinhal­b Jahre später ist Roth damit noch nicht weiter. Als Durchsetze­rin von Kulturpoli­tik droht sie zu scheitern.

Ihr Stil ist direkt, offen – und oft auch laut.

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Zeichnung: Heiko Sakurai Die AfD steht zu ihrem Spitzenman­n.
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