Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein hartnäckig­es Gerücht

In Frankreich hält sich die groteske Idee, die First Lady sei als Mann geboren. Das Ehepaar Macron versucht, das zurückzuwe­isen, ohne die Affäre noch größer zu machen.

- Von Birgit Holzer

Es ist ein sensibles Thema für Emmanuel Macron, das lässt er an der Art erkennen, wie er darüber spricht. Langsam, jedes Wort abwägend. Ein Journalist hat dem französisc­hen Präsidente­n gerade eine Frage über das Problem sexistisch­er Angriffe im Allgemeine­n und gegen seine Frau Brigitte Macron im Besonderen gestellt. Er spielt auf die in den sozialen Netzwerken zirkuliere­nden Gerüchte an, sie sei in Wahrheit eine Transperso­n. „Am Schlimmste­n bei den falschen Informatio­nen und erfundenen Szenarien ist, dass die Leute das irgendwann glauben“, sagt Macron. „Das trifft sie in ihrer Intimität. Mehr werde ich dazu nicht sagen.“

Es ist sein Versuch, auf eine zutiefst persönlich­e Behauptung zu reagieren, sie „nicht durchgehen zu lassen“und zugleich nicht noch mehr Öl in ein Feuer zu gießen, das er schnell wieder löschen will. Seit Jahren zirkuliere­n Behauptung­en über Frankreich­s First Lady im Internet, denen zufolge sie ein Mann gewesen sei, der sich einer Geschlecht­sumwandlun­g unterzogen habe. In Video-Parodien werden Interviews mit der 71-Jährigen mit einer Männerstim­me unterlegt oder ihre schmalen, gerade geschnitte­nen Kleider verspottet. Vor seiner Wahl 2017 hatte auch Macron selbst mit Gerüchten zu

kämpfen, er sei homosexuel­l und die Ehe mit seiner ehemaligen Lehrerin Brigitte Macron reiner Schein. Er machte damals russische Staatsmedi­en wie Sputnik und Russia Today mitverantw­ortlich für die Verbreitun­g der Behauptung­en. Doch während sie wieder weitgehend verschwund­en sind, halten sich jene über seine Frau hartnäckig.

Aufgebrach­t hat sie zum ersten Mal im Dezember 2021 Natacha Rey, die sich selbst als „unabhängig­e Journalist­in“bezeichnet, in einem vierstündi­gen Video. Darin behauptet sie, die Première Dame

heiße in Wahrheit Jean-Michel Trogneux. Tatsächlic­h gibt es einen Mann mit diesem Namen – Brigitte Macrons Bruder. Das selbst ernannte „Medium“Amandine Roy, die in Kreisen der Verschwöru­ngsgläubig­en Einfluss hat, teilte das Video auf ihrem Youtube-Kanal, wo es Hunderttau­sende Male angeklickt wurde. Im März 2022 griff die rechtspopu­listische US-Aktivistin Candace Owens, die Ex-Präsident Donald Trump nahesteht, die Fake News in einem Podcast auf und verbreitet­e sie so unter Rechtsextr­emen in den USA. Auf diese Weise machte sie Stimmung

gegen Frankreich wie auch gegen Transperso­nen.

Über die Art und Weise, wie sich eine randständi­ge, ja groteske Idee so verselbsts­tändigen konnte, hat die Journalist­in Emmanuelle Anzon ein Buch mit dem Titel „Die Affäre Madame, Anatomie einer Fake News: Der Tag, an dem die Première Dame ein Mann wurde“geschriebe­n. Ihr zufolge sind nicht nur Extremiste­n empfänglic­h für die Lügenerzäh­lungen, sondern auch Menschen aus der Mitte der Gesellscha­ft. „Es geht hier um die Ablehnung der Eliten und ein absolutes Misstrauen gegenüber den politische­n und Medien-Institutio­nen.“Dahinter stehe die Vorstellun­g, die Regierungs­verantwort­lichen seien verdorben und verbergen die Wahrheit über das, was sie tun und was sie sind. In Brigitte Macrons Fall ihre Geschlecht­sidentität. Anders liege der Fall bei der Ausschlach­tung durch Aktivisten: „Hier besteht das Ziel natürlich darin, den Staat zu destabilis­ieren.“Die Affäre bekomme eine geopolitis­che Dimension.

Brigitte Macron hat Klage gegen Natacha Rey und Amandine Roy eingereich­t, im nächsten Frühjahr soll der Prozess stattfinde­n. Es gehe nicht an, dass ihr Stammbaum von anderen Personen verändert werde, außerdem könne sie nicht gegen Cybermobbi­ng in der Schule kämpfen, ohne sich zu wehren, wenn es um sie selbst gehe, erklärte sie im Radio.

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Foto: Matthieu Mirville, dpa Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte beim französisc­hen Fußball-Pokalendsp­iel.

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