Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So agierte die nigerianis­che Mafia in Bayern

Die kriminelle Organisati­on ist für Menschenha­ndel und Zwangspros­titution bekannt – hierzuland­e liegt ihr Fokus auf Internetbe­trug. Nach den Razzien vom Dienstag führen Spuren auch in die Region.

- Von Florian Lang und Jan Kandzora

Eine kleine, schwarze Axt, auf der der Kampfname ihres Besitzers steht, eine Peitsche, mit der Verräter und Feinde der Organisati­on disziplini­ert werden – das sind nur zwei der Beweisstüc­ke, welche die Ermittler nach den groß angelegten Razzien gegen die nigerianis­che Mafia in Bayern und weiteren Bundesländ­ern präsentier­en konnten. Rund 350 Einsatzkrä­fte hatten am frühen Dienstagmo­rgen insgesamt 19 Wohngebäud­e und Asylbewerb­erunterkün­fte durchsucht und dabei elf Tatverdäch­tige festgenomm­en. Den Männern wirft die Staatsanwa­ltschaft München I die Mitgliedsc­haft in einer kriminelle­n Vereinigun­g vor, die in Deutschlan­d insbesonde­re im sogenannte­n Love Scamming aktiv sein soll. Bei den Tatverdäch­tigen handelt es sich nach den Worten der Staatsanwa­ltschaft um nigerianis­che Staatsbürg­er im Alter zwischen 29 und 53 Jahren. Sie sollen der nigerianis­chen Bruderscha­ft „Confratern­ity Black Axe“angehören, auch bekannt als „Neo Black Movement of Africa“.

In Nigeria gibt es mehrere solcher Confratern­ities, die in ihrer Gesamtheit als nigerianis­che Mafia bezeichnet werden. Der Begriff Confratern­ity, also Bruderscha­ft, geht auf nigerianis­che Studentenv­erbindunge­n zurück, von denen einige in den 80er-Jahren in die Organisier­te Kriminalit­ät einstiegen. „Es handelt sich bei den Festgenomm­enen ausnahmslo­s um Führungsfi­guren der Organisati­on in Deutschlan­d, darunter die Köpfe der Black Axe in Deutschlan­d und Bayern“, sagte Staatsanwa­lt Maximilian Kraus am Mittwochvo­rmittag in München. Für das Love Scamming, eine Art moderner Heiratssch­windel, täuschen die Betrüger unter falschen Identitäte­n beispielsw­eise eine Heiratsabs­icht vor und fordern im Anschluss unter verschiede­nen Vorwänden immer wieder Geld von ihren Opfern. Dieses Geld wird dann nach Nigeria transferie­rt oder bereits vorher „gewaschen“, indem damit Waren gekauft werden, die anschließe­nd unter einem karitative­n Vorwand nach Nigeria geschickt werden.

Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft ermitteln die Behörden bereits seit mehr als zwei Jahren gegen die „Confratern­ity Black Axe“in Deutschlan­d, die wohl aufgrund der einschlägi­gen Migrations­routen insbesonde­re in Bayern zu finden ist. „Allerdings haben die begangenen Straftaten keinen echten örtlichen Bezug. Wir sprechen von einer Art kriminelle­m Homeoffice, weil für die Durchführu­ng der Internetkr­iminalität der Wohnort keine Rolle spielt“, sagte Kraus. Die Ermittlung­en stellen laut Staatsanwa­ltschaft das erste grundlegen­de Verfahren gegen eine nigerianis­che Confratern­ity in Deutschlan­d dar.

Nach Auskunft der Ermittler nutzte „Black Axe“auch den Deckmantel

eines vorgeblich sozial orientiert­en Vereins, der seinen offizielle­n Sitz in Norddeutsc­hland hat. „Nach den bisherigen Erkenntnis­sen handelt es sich dabei nur um eine Tarnung, um die hinter diesem Verein stehenden Strukturen zu verschleie­rn“, heißt es aus dem LKA. Ein früheres Vorstandsm­itglied des Vereins ist ein 30 Jahre alter Mann, der seit einigen Jahren in Augsburg lebt. Offenbar richtete sich die Razzia in der Stadt vor allem gegen ihn, nach Informatio­nen unserer Redaktion ist er einer der Verdächtig­en und sitzt inzwischen in Untersuchu­ngshaft, so wie die zehn weiteren Festgesetz­ten ebenfalls. Wie ein Sprecher des Landeskrim­inalamts auf Anfrage bestätigt, seien in der Stadt vier Objekte durchsucht worden, darunter eine Asylunterk­unft. Auch im Oberallgäu sei eine Asylunterk­unft durchsucht worden, Festnahmen habe es dort aber nicht gegeben.

Zeugen hatten am Dienstagvo­rmittag ein größeres Aufgebot vermummter Polizeibea­mter im Augsburger Stadtteil Pfersee beobachtet; die Einsatzkrä­fte sammelten sich zunächst an einer Kreuzung, ehe sie in Richtung eines Wohnhauses anrückten. Offiziell bestätigen wollte die Polizei zunächst nicht, dass dieser Einsatz in Zusammenha­ng mit der Großrazzia stand. Nach Informatio­nen unserer Redaktion allerdings lebt in der Straße eine Frau, die denselben seltenen Nachnamen wie der 30 Jahre alte Verdächtig­e trägt. Einträge auf Facebook zeigen den Mann mit einer Frau beim Ringtausch – wahrschein­lich also, dass die Ermittler hier auch die Wohnanschr­ift seiner Ehefrau durchsucht­en. Daneben durchforst­eten sie nach Informatio­nen unserer Redaktion die Adresse des Mannes in der Innenstadt. Ob der vermeintli­ch gemeinnütz­ige Verein und die mutmaßlich­en Kriminelle­n weitere Verbindung­en nach Augsburg haben, ist noch unbekannt. Fotos im Internet zeigen eine Spendenübe­rgabe von vor drei Jahren – damals überreicht­en Verantwort­liche des Vereins einen Scheck über 500 Euro an eine soziale Einrichtun­g in der Region.

Asylunterk­ünfte in Augsburg und im Allgäu durchsucht.

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Foto: Britta Schultejan­s, dpa Die kleine schwarze Axt mit der Aufschrift „King Zulu“gilt als Symbol für die kriminelle „Black Axe“-Organisati­on.

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