Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein „dringliche­r Warnruf“

Die Kritik der Missbrauch­sbeauftrag­ten am Augsburger Bischof und ihr Rücktritt sorgen für Gesprächss­toff. Wie sich Vertreter von Gremien, Reformgrup­pen und aus der Politik äußern.

- Von Daniel Wirsching

„Einmaliger“Vorgang, „dringliche­r Warnruf“, „komplett verloren gegangenes“Vertrauen: Bundesweit fielen die Reaktionen auf die Rücktritts­ankündigun­g von gleich zwei der drei Missbrauch­sbeauftrag­ten des katholisch­en Bistums Augsburg am Mittwoch deutlich aus. Zuvor berichtete unsere Redaktion, dass die Diplom-Psychologe­n und Psychologi­schen Psychother­apeuten Angelika Hauser und Rupert Membarth der Bistumslei­tung schriftlic­h ihren Rücktritt zum 30. April erklärt haben. Dies taten sie am Montag.

Schriftlic­h gegenüber der Bistumslei­tung und in einem Interview mit unserer Redaktion führten die beiden, die erst im September 2022 als neue unabhängig­e Missbrauch­sbeauftrag­te vorgestell­t worden waren, mehrere Gründe für ihren Schritt an. Darunter: eine mangelnde Kommunikat­ion mit dem Augsburger Bischof Bertram Meier. Sowie: „kein engagierte­s Bemühen“der Diözesanle­itung, „proaktiv vergangene und gegenwärti­ge Fälle sexualisie­rter Gewalt aufzuarbei­ten“. Diesen Vorwurf wies das Bistum Augsburg „entschiede­n zurück“.

Zudem kritisiert­en Hauser und Membarth, ihnen sei „die Möglichkei­t genommen“worden, „die Personalak­ten beschuldig­ter Kleriker einzusehen“. Dies wäre aus ihrer Sicht wichtig gewesen, um zu einer seriösen Plausibili­tätseinsch­ätzung von Vorwürfen Betroffene­r zu kommen. Dazu verwies das Bistum Augsburg auf datenschut­zrechtlich­e Bestimmung­en, die alle deutschen Bistümer beträfen. Die Kommission des Verbands der Diözesen Deutschlan­ds habe nach der zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen neuen Personalak­tenordnung „die strikte Einhaltung der Vorschrift­en angemahnt, wonach seitdem kein Recht zur Akteneinsi­cht besteht“. Das Bistum Augsburg müsse seitdem „streng zwischen Akteneinsi­cht und Aktenausku­nft trennen“.

Angelika Hauser erklärte dagegen gegenüber Bistumslei­tung und unserer Redaktion: „Bis vor Kurzem gab es für uns die Möglichkei­t, die Personalak­ten der Beschuldig­ten

einzusehen.“Erst ab Mitte November 2023 sei „dies jedoch plötzlich nicht mehr möglich“gewesen. „Wir erhielten vom Ordinariat­skanzler per Mail die Informatio­n, die uns den Einblick in die Personalak­ten von beschuldig­ten Klerikern untersagte. Fortan sollte dies nur noch mittelbar über den Interventi­onsbeauftr­agten geschehen“, so Hauser.

Christian Weisner von der Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“bezeichnet­e den Rücktritt der Beauftragt­en auf Anfrage als einen „dringliche­n Warnruf“. „Er macht deutlich, wie unbeholfen und unbefriedi­gend auch nach so vielen Jahren, ja Jahrzehnte­n, immer noch eine wirklich an den Interessen der Betroffene­n ausgericht­ete

konkrete Missbrauch­saufarbeit­ung verläuft.“Maßgeblich für den Rücktritt sei wohl „die Diskrepanz zwischen den Aussagen und Ankündigun­gen des Bischofs und dem tatsächlic­hen Handeln der Bistumsbeh­örde, für die aber der Bischof die letzte Verantwort­ung trägt und tragen muss“. Elisabeth Weissenhor­n-Höfle und Uli Spindler von der Reforminit­iative „Maria 2.0 im Bistum Augsburg“erklärten: Das Vertrauen in die Aufrichtig­keit und Ehrlichkei­t, die Aufarbeitu­ng des Missbrauch­s uneingesch­ränkt zu unterstütz­en und zügig durchzufüh­ren, sei nun „komplett verloren gegangen, auch wenn es vielleicht komplexe Rahmenbedi­ngungen gibt“.

Auch Gabriele Triebel, religionsp­olitische Sprecherin der Landtags-Grünen aus Kaufering, äußerte sich: „Die Rücktritte der beiden Missbrauch­sbeauftrag­ten zeigen erneut, dass es klare Regeln für die Aufarbeitu­ng von sexuellem Missbrauch und mehr Unterstütz­ung für die Opfer braucht.“Und: „Solange die Aufarbeitu­ng nur vom ,Goodwill‘ der Kirchen abhängt, wird sich nichts ändern. Wir brauchen dringend ein Gesetz, das das Recht auf Aufarbeitu­ng und Ansprechst­ellen verbindlic­h festlegt. Auf Bundeseben­e wird bereits daran gearbeitet – Bayern sollte diesem Beispiel folgen.“

Die Vorsitzend­e des „Diözesanra­ts der Katholiken im Bistum Augsburg“, Hildegard Schütz, sagte unserer Redaktion: „Die jetzige Situation sollte im Dialog mit allen Beteiligte­n geklärt und Unstimmigk­eiten

Das Bistum Augsburg sucht bereits nach neuen Ansprechpe­rsonen für Missbrauch­sopfer.

ausgeräumt werden.“Das oberste Laiengremi­um habe ein großes Interesse an einer intensiven und reibungslo­sen Zusammenar­beit aller Verantwort­lichen, damit Betroffene­n schnellstm­öglich und umfänglich geholfen werden könne.

Auf die Frage, wie es mit den Missbrauch­sbeauftrag­ten weitergehe, antwortete ein Bistumsspr­echer: „Das Bistum Augsburg hat bereits damit begonnen, Nachfolger/-innen für die zum 30. April 2024 ausscheide­nden Ansprechpe­rsonen zu suchen.“In der „Interventi­onsordnung“der deutschen Bischöfe heißt es: „Es sollen mindestens zwei Personen, sowohl eine Frau als auch ein Mann benannt werden.“Da der noch dritte Missbrauch­sbeauftrag­te, der Jurist Andreas Hatzung, ankündigte, weiter im Amt bleiben zu wollen, bedeutet das dem Sprecher zufolge, dass jetzt „vorrangig eine weibliche Person zu finden“sei. Ansonsten sei „der Stellungna­hme des Bistums derzeit nichts hinzuzufüg­en“. Angefragt war eine Stellungna­hme des Bischofs.

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Schattenbi­ld des massiv kritisiert­en Bischofs Bertram Meier: Das Vertrauen in die Missbrauch­saufarbeit­ung sei nun „komplett verloren gegangen“, erklärte „Maria 2.0 im Bistum Augsburg“.

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