Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein „dringlicher Warnruf“
Die Kritik der Missbrauchsbeauftragten am Augsburger Bischof und ihr Rücktritt sorgen für Gesprächsstoff. Wie sich Vertreter von Gremien, Reformgruppen und aus der Politik äußern.
„Einmaliger“Vorgang, „dringlicher Warnruf“, „komplett verloren gegangenes“Vertrauen: Bundesweit fielen die Reaktionen auf die Rücktrittsankündigung von gleich zwei der drei Missbrauchsbeauftragten des katholischen Bistums Augsburg am Mittwoch deutlich aus. Zuvor berichtete unsere Redaktion, dass die Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten Angelika Hauser und Rupert Membarth der Bistumsleitung schriftlich ihren Rücktritt zum 30. April erklärt haben. Dies taten sie am Montag.
Schriftlich gegenüber der Bistumsleitung und in einem Interview mit unserer Redaktion führten die beiden, die erst im September 2022 als neue unabhängige Missbrauchsbeauftragte vorgestellt worden waren, mehrere Gründe für ihren Schritt an. Darunter: eine mangelnde Kommunikation mit dem Augsburger Bischof Bertram Meier. Sowie: „kein engagiertes Bemühen“der Diözesanleitung, „proaktiv vergangene und gegenwärtige Fälle sexualisierter Gewalt aufzuarbeiten“. Diesen Vorwurf wies das Bistum Augsburg „entschieden zurück“.
Zudem kritisierten Hauser und Membarth, ihnen sei „die Möglichkeit genommen“worden, „die Personalakten beschuldigter Kleriker einzusehen“. Dies wäre aus ihrer Sicht wichtig gewesen, um zu einer seriösen Plausibilitätseinschätzung von Vorwürfen Betroffener zu kommen. Dazu verwies das Bistum Augsburg auf datenschutzrechtliche Bestimmungen, die alle deutschen Bistümer beträfen. Die Kommission des Verbands der Diözesen Deutschlands habe nach der zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen neuen Personalaktenordnung „die strikte Einhaltung der Vorschriften angemahnt, wonach seitdem kein Recht zur Akteneinsicht besteht“. Das Bistum Augsburg müsse seitdem „streng zwischen Akteneinsicht und Aktenauskunft trennen“.
Angelika Hauser erklärte dagegen gegenüber Bistumsleitung und unserer Redaktion: „Bis vor Kurzem gab es für uns die Möglichkeit, die Personalakten der Beschuldigten
einzusehen.“Erst ab Mitte November 2023 sei „dies jedoch plötzlich nicht mehr möglich“gewesen. „Wir erhielten vom Ordinariatskanzler per Mail die Information, die uns den Einblick in die Personalakten von beschuldigten Klerikern untersagte. Fortan sollte dies nur noch mittelbar über den Interventionsbeauftragten geschehen“, so Hauser.
Christian Weisner von der Reformbewegung „Wir sind Kirche“bezeichnete den Rücktritt der Beauftragten auf Anfrage als einen „dringlichen Warnruf“. „Er macht deutlich, wie unbeholfen und unbefriedigend auch nach so vielen Jahren, ja Jahrzehnten, immer noch eine wirklich an den Interessen der Betroffenen ausgerichtete
konkrete Missbrauchsaufarbeitung verläuft.“Maßgeblich für den Rücktritt sei wohl „die Diskrepanz zwischen den Aussagen und Ankündigungen des Bischofs und dem tatsächlichen Handeln der Bistumsbehörde, für die aber der Bischof die letzte Verantwortung trägt und tragen muss“. Elisabeth Weissenhorn-Höfle und Uli Spindler von der Reforminitiative „Maria 2.0 im Bistum Augsburg“erklärten: Das Vertrauen in die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, die Aufarbeitung des Missbrauchs uneingeschränkt zu unterstützen und zügig durchzuführen, sei nun „komplett verloren gegangen, auch wenn es vielleicht komplexe Rahmenbedingungen gibt“.
Auch Gabriele Triebel, religionspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen aus Kaufering, äußerte sich: „Die Rücktritte der beiden Missbrauchsbeauftragten zeigen erneut, dass es klare Regeln für die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und mehr Unterstützung für die Opfer braucht.“Und: „Solange die Aufarbeitung nur vom ,Goodwill‘ der Kirchen abhängt, wird sich nichts ändern. Wir brauchen dringend ein Gesetz, das das Recht auf Aufarbeitung und Ansprechstellen verbindlich festlegt. Auf Bundesebene wird bereits daran gearbeitet – Bayern sollte diesem Beispiel folgen.“
Die Vorsitzende des „Diözesanrats der Katholiken im Bistum Augsburg“, Hildegard Schütz, sagte unserer Redaktion: „Die jetzige Situation sollte im Dialog mit allen Beteiligten geklärt und Unstimmigkeiten
Das Bistum Augsburg sucht bereits nach neuen Ansprechpersonen für Missbrauchsopfer.
ausgeräumt werden.“Das oberste Laiengremium habe ein großes Interesse an einer intensiven und reibungslosen Zusammenarbeit aller Verantwortlichen, damit Betroffenen schnellstmöglich und umfänglich geholfen werden könne.
Auf die Frage, wie es mit den Missbrauchsbeauftragten weitergehe, antwortete ein Bistumssprecher: „Das Bistum Augsburg hat bereits damit begonnen, Nachfolger/-innen für die zum 30. April 2024 ausscheidenden Ansprechpersonen zu suchen.“In der „Interventionsordnung“der deutschen Bischöfe heißt es: „Es sollen mindestens zwei Personen, sowohl eine Frau als auch ein Mann benannt werden.“Da der noch dritte Missbrauchsbeauftragte, der Jurist Andreas Hatzung, ankündigte, weiter im Amt bleiben zu wollen, bedeutet das dem Sprecher zufolge, dass jetzt „vorrangig eine weibliche Person zu finden“sei. Ansonsten sei „der Stellungnahme des Bistums derzeit nichts hinzuzufügen“. Angefragt war eine Stellungnahme des Bischofs.