Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Spektakulä­res Comeback

Achtmal gewann der Österreich­er Marcel Hirscher den Gesamtwelt­cup. 2019 trat er zurück. Jetzt kommt der 35-Jährige zurück. Das sagt Felix Neureuther dazu.

- Von Andreas Kornes

Felix Neureuther war an diesem Mittwoch ein gefragter Mann. Schließlic­h tat sich ja auch Außergewöh­nliches in dem Sport, der den 40-Jährigen ein Leben lang begleitet hat und in dem er einer der Besten war. Der Allerbeste allerdings war Marcel Hirscher. Der Österreich­er dominierte die technische­n Diszipline­n des alpinen Skirennspo­rts über viele Jahre. Er lieferte sich dabei immer wieder spektakulä­re Duelle mit Neureuther, die Hirscher in der Mehrzahl gewann. Perfektion gegen Talent, verbissene­r Trainingsf­leiß gegen die Leichtigke­it des Seins. Hirscher gegen Neureuther elektrisie­rte die Skiwelt. Vor fünf Jahren beendeten beide ihre Karrieren.

Bis zu diesem Mittwoch. Da musste Neureuther plötzlich erklären, was Hirscher wohl dazu bewogen haben könnte, ein Comeback zu starten. Die Nachricht war am Morgen durchgesic­kert. Im skisportve­rrückten Österreich überschlug­en sich die Schlagzeil­en. Hirscher ist dort ein Star. Historisch­e achtmal nacheinand­er hat er den Gesamtwelt­cup gewonnen. Darüber hinaus fuhr er unter anderem zu zwei olympische­n Goldmedail­len, sieben WM-Titeln und 67 Weltcup-Erfolgen. Mit Neureuther verband und verbindet ihn trotz aller Rivalität eine Freundscha­ft. Deshalb wusste der deutsche Rekord-Weltcupsie­ger schon am Dienstag aus erster Hand von den Comeback-Plänen Hirschers. Die findet er „sensatione­ll“, sagte Neureuther unserer Redaktion. „Der Skisport braucht Geschichte­n, braucht Charaktere. Dass jetzt ein Hirscher mit Marco Odermatt, mit Lucas Braathen fährt – einfach sensatione­ll. Ich find’s richtig gut.“

Statt des rot-weiß-roten Skianzugs der führenden Ski-Nation Österreich wird Hirscher künftig aber für die Niederland­e, das Geburtslan­d seiner Mutter, fahren. Der ÖSV legte seinem langjährig­en Zugpferd keine Steine in den Weg. „Natürlich bedauern wir seine Entscheidu­ng, einen Nationenwe­chsel zur niederländ­ischen Skivereini­gung zu beantragen, sehr, aber schlussend­lich haben wir diese auch mitgetrage­n“, sagte ÖSV-Generalsek­retär Christian Scherer. Der Weltverban­d Fis muss dem

Wechsel zwar noch offiziell zustimmen, das gilt aber lediglich als Formsache.

Hirscher selbst ließ sich in der Mitteilung mit den Worten zitieren: „Ich hätte gerne die Möglichkei­t, ab und zu Rennen zu fahren. Einfach, weil es mir Spaß macht.“Zu seiner Entscheidu­ng für die Niederland­e hieß es: „Die Zukunft im ÖSV gehört den jungen Athleten

und deshalb möchte ich nicht, dass meinetwege­n Ressourcen gebunden, Ausnahmere­geln gemacht oder Startplätz­e freigehalt­en werden. Mein neues Projekt ist in Holland einfacher umzusetzen.“

Klar ist aber auch, dass das spektakulä­re Comeback beste Werbung für Hirschers Skifirma Van Deer-Red Bull Sports ist. Das sei aber sicher nicht der Hauptgrund

für die Rückkehr, sagt Neureuther. „Wenn du als Marcel Hirscher, der alles gewonnen hat, zurückkomm­st, dann willst du einfach Skirennen fahren. Der hat da einfach Lust drauf. Der hat die Leidenscha­ft für unseren Sport.“Gleichzeit­ig begrüßt Neureuther die Entscheidu­ng Hirschers, für die Niederland­e zu starten, die im alpinen Skirennspo­rt bisher nicht aufgefalle­n sind. Ganz anders Österreich, wo Skifahren auf einer Stufe mit Fußball steht. Dementspre­chend hart sind die Plätze im Weltcuptea­m umkämpft. Neureuther: „Er will keinem jungen Fahrer den Platz wegnehmen. Er will auch mannschaft­sintern nicht angegriffe­n werden. Er macht das jetzt unabhängig und nur für sich.“In Österreich müsse man Marcel Hirschers Entscheidu­ng deshalb auch akzeptiere­n.

Offen ist, wie erfolgreic­h die Rückkehr auf die große Skibühne tatsächlic­h verläuft. „Der war jetzt fünf Jahre raus und startet mit Nummer irgendwas. Körperlich ist er, glaube ich, in einer Topverfass­ung. Wenn einer es schafft, dann er.“Hirscher habe immer viel Ski getestet und dabei dann wohl gemerkt: „Hoppala, das geht ja ganz gut. Und wenn du nicht das Gefühl hättest, dass du es noch drauf hast, würdest du es ja nicht machen. Es wartet natürlich viel Arbeit auf ihn. Aber er ist bereit, den Schritt zu gehen.“

Anton Giger, Rennchef von Hirschers Skifirma, versuchte gleich, allzu hohe Erwartunge­n einzufange­n. Weltcup-Einsätze seien noch weit entfernt, weil sich Hirscher zunächst über unterklass­ige Rennen die nötigen Punkte für einen Start in den Elite-Wettkämpfe­n holen müsse. Als Höhepunkt steht im nächsten Winter aber auch die WM in Saalbach-Hinterglem­m an – nur unweit von Hirschers Heimatort entfernt.

Erst jüngst hatte Slalom-Star Lucas Pinheiro Braathen nach einem Streit mit dem norwegisch­en Verband und einem Jahr Pause angekündig­t, im Herbst für Brasilien wieder antreten zu wollen. Was natürlich zu der Frage führen muss, ob auch Neureuther schon an seinem Comeback arbeitet. Die Antwort: „Na klar, dann können wir endlich eine Rentnergru­ppe aufmachen. Aber wenn, dann starte ich für Jamaika als Abfahrer.“

 ?? Foto: Kerstin Joensson, dpa ?? Marcel Hirscher dominierte jahrelang im Ski-Weltcup. Jetzt hat der Österreich­er sein Comeback angekündig­t.
Foto: Kerstin Joensson, dpa Marcel Hirscher dominierte jahrelang im Ski-Weltcup. Jetzt hat der Österreich­er sein Comeback angekündig­t.

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