Augsburger Allgemeine (Land Nord)
... die Europawahl vier Tage dauert?
Die Europawahl findet in diesem Jahr am 9. Juni statt. Also in Deutschland jedenfalls. Doch in Wahrheit zieht sich die Abstimmung vier Tage hin, denn nicht in allen EU-Staaten gehen die Menschen am Sonntag wählen. Die Frage stiftet alle fünf Jahre Verwirrung: Warum stimmen die Niederländer am Donnerstag ab, die Iren am Freitag, die Letten, Malteser und Slowaken am Samstag und die Deutschen (wie auch der große Rest der Mitgliedstaaten) erst sonntags? Und warum sind in der Tschechischen Republik und in Italien die Bürgerinnen und Bürger gar an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zum Urnengang aufgerufen?
Traditionell hört man darauf die klassische Antwort, die Leute immer dann geben, wenn sie nicht weiterwissen: Es sei eben Tradition. Tatsächlich ergeben sich die unterschiedlichen Wahltage aus nationalen Gepflogenheiten. Die Niederländer etwa schlossen 1918, damals aus Rücksicht auf die protestantische Bevölkerung, Wahlen an einem Sonntag aus. Die meisten setzen also ihr Kreuzchen vor der Arbeit oder hetzen in der Mittagspause ins Wahllokal. Das calvinistische Erbe eines Landes könnte tatsächlich für die verschiedenen Wahltage auch in anderen Ländern verantwortlich sein. Da man sich früher an Feiertagen – und das waren Sonntage – nicht politisch betätigen sollte, blieb der siebte Tag der Woche tabu. Deutschland macht es umgekehrt und hat im Bundeswahlgesetz festgeschrieben, dass der Wahltag ein Sonntag oder gesetzlicher Feiertag sein muss. Und wer zwei Tage lang abstimmen lässt, erhöht laut Statistik die Wahlbeteiligung.