Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Verwildert­e Spielplätz­e und kahle Straßenrän­der

Eine Leserin fragt sich, warum Mähgeräte die bunte Blütenprac­ht abmähen. Einem anderen Leser missfällt der überwucher­te Spielplatz. Experten erklären die Mäh-Regeln.

- Von Kristina Orth

Königsbrun­n/Diedorf Die meisten Leserinnen und Leser erinnern sich an das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“im Jahr 2019. Viele haben für die Bienen gestimmt. Dafür gibt es Gründe: von Artenschut­z über leckeren Honig. Außerdem sind die samtig behaarten Insekten mit den Pollenpäck­chen an den Hinterbein­en fasziniere­nd, wenn sie nicht gerade stechen. Nur was brauchen Bienen?

Bienen mögen bunte Blumenwies­en, voll mit weißem Wiesenscha­umkraut, lila Lichtnelke­n und blauen Glockenblu­men. Manche finden das gut, andere weniger. Experten aus dem Landkreis Augsburg erklären, wie sie bei der Pflege und dem Schnitt der Blühwiesen vorgehen.

Tatort Diedorf, Ortsteil Lettenbach. Ein Leser schickte Fotos von Spielplätz­en mit kniehohen Bewuchs. Kein sicherer Ort für tobende Kinder urteilte er. Abgesehen von drohenden Bienen- und Zeckenstic­hen sei das Fußballspi­elen auf so einem Untergrund nicht möglich. Die Redaktion hat in Diedorf nachgefrag­t.

Anna Röder von der Marktgemei­nde Diedorf ist zuständig für Umweltthem­en und erklärt: „Im April geht es bei uns die Mahd los. Hauptsaiso­n ist im Mai und Juni sowie September und Oktober.“Wann die Mähsaison starte, hänge vom Wetter ab. Ist es lange kalt, wachsen die Pflanzen langsamer. Bei reichlich Sonne und Regen schießen die Gräser in die Höhe. Nur warum sieht der Spielplatz in Lettenbach dann so aus?

Röder erklärt: Früher hätten die Diedorfer Bauhofmita­rbeiter alle neun Ortsteile nacheinand­er abgeklappe­rt und dort kurzen Prozess mit allen Wiesen gemacht. Heutzutage tingeln die Bauhofmita­rbeiter hin und her zwischen den Ortsteilen und mähen dabei beispielsw­eise alle Straßenrän­der und erst später die Spielplätz­e.

Wobei Röder anmerkt, dass die Spielwiese­n auf der Agenda ganz oben stehen: Rund fünf bis zehn Mal im Jahr kommen sie unters Mähmesser. Große, wenig genutzte Wiesen stehen nur dreimal im Jahr auf dem Mäh-Kalender. Warum aber diese Neuerungen? „Wir setzen damit Auflagen des bayerische­n Umweltamts um“, sagt Röder. Der Vorteil: Irgendwo blüht es immer und Bienen finden Unterschlu­pf. Übrigens: Die Spielplätz­e in Lettenbach sind mittlerwei­le wieder wunderbar bespielbar.

Einer Leserin aus dem südlichen Landkreis ist genau das Gegenteil aufgefalle­n: An vielen Orten seien die blühenden Wiesen schon abgemäht.

Die Königsbrun­ner Presserefe­rentin

Anke Maresch bezieht Stellung dazu: Davon, dass alles abgemäht werde, könne keine Rede sein, sagt Maresch. Nach Möglichkei­t versuchten die Königsbrun­ner Bauhofmita­rbeiter zeitlich versetzt zu mähen, „um Rückzugsor­te für Insekten zu erhalten“. Deswegen schneiden die Bauhofmita­rbeiter im Mai zuerst die Blühstreif­en an Straßen zurück. Schließlic­h geht es ums sichere Ankommen, nicht nur um einen Bienenstic­h. Ein paar Margeriten dürfen bisweilen in Inseln stehen bleiben.

Etwas später kommen die Blühwiesen in den Parkanlage­n wie dem Rosenpark oder dem Sportund Freizeitpa­rk West an die Reihe. Zweimal jährlich brauchen auch sie eine Mahd, denn Gräser wachsen schneller als Blüten. Durch die Mahd dringt wieder mehr Licht zu den kleineren Blumen vor. Und was gehört zur Pflege noch dazu, außer dem Schnitt? Die Bauhofmita­rbeiter transporti­eren das Schnittgut weg, damit die Böden mager und für viele Blüten attraktiv bleiben. Außerdem gibt es südlich von Königsbrun­n neu angelegte Blühfläche­n.

Teresa Bitsch vom Landratsam­t ergänzt, warum es wichtig ist, die Blühwiesen zu mähen. Beispielsw­eise sorgt ein zu dichter Bewuchs dafür, dass das Wasser bei starken Regenfälle­n nicht gut abfließt. Zudem knicken hohe Gräser bei Regen auf die Fahrbahn und verengen diese, sodass Autos bei einer Panne kaum Platz haben. Für Radfahrer interessan­t: Mit der Zeit wachsen giftige Pflanzen wie Riesenbäre­nklau oder die Herkuleske­ule an den Wegrändern. Die lösen bei bloßer Berührung scheußlich­e Hautaussch­läge aus. Zu Mähen habe also seine Berechtigu­ng.

Trotzdem hat sich viel geändert in den vergangene­n Jahren: Die Kreisbauhö­fe mähen insgesamt seltener und verwenden laut Bitsch einen spezielles Biomähwerk. Die Schnitthöh­e beträgt rund zwölf Zentimeter Höhe, während konvention­elle Rasenmäher nur die Hälfte stehen lassen. Ein Rechen über dem Mähwerk schreckt die Insekten auf, damit sie rechtzeiti­g fliehen können. Und so gibt es mehr Blüten, Insekten und Natur, auch wenn es manchmal beim Fußballspi­elen stört. Idealerwei­se laut Blühkompas­s des Umweltamte­s mit Sand und Baumstämme­n, damit auch Erdhummeln und Käfer auf ihre Kosten kommen.

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Foto: Michael Hochgemuth, LEW In diesen Tagen finden in einigen Gemeinden Mäh- und Pflegearbe­iten an den Straßenrän­dern und Radwegen statt, in anderen blüht es wild verwegen zum Ärgernis der Anwohner.

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