Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Präzisions­sport unter der Sonne Schwabmünc­hens: Ein Boule-Selbstvers­uch

Sommerzeit ist Boule-Zeit. Das Spiel verlangt viel Gefühl und Konzentrat­ion. Nicht immer ganz einfach, wie unsere Autorin Kristina Orth in Schwabmünc­hen festgestel­lt hat.

- Von Kristina Orth

Schwabmünc­hen Viele Menschen kennen das Boccia-Spiel aus dem Urlaub. Sandstrand, Sonne. Bunte Plastikkug­eln sollen möglichst nah bei einer kleinen, weißen Kugel landen. Nur statt kreischend­er Möwen wie im Urlaub krächzen Krähen in den Baumwipfel­n. Mir gegenüber sitzt Paolo im weißen Tanktop, mit tätowierte­n Armen. Er gehört zu den jüngeren Spielern. Von denen gibt es einige, aber auch Rentner und ein Power-Frauentrio. Insgesamt 14 Spieler werfen ihre silbrig glänzenden Kugeln in hohem Bogen in den blauen Schwabmünc­hner Himmel. Irgendwie erinnert mich der Anblick an die Prinzessin aus dem Froschköni­g mit ihrer goldenen Kugel. Nur statt eines Platschens auf der Wasserober­fläche des Brunnens ist ein metallisch­es Klacken zu hören, wenn die Kugeln aufeinande­rprallen.

Jeweils zu zweit oder zu dritt treten die

Spieler wie beim Boccia in Teams gegeneinan­der an, erklärt mir Karin Bader mit ihrem kleinem Hund Chilli, einem schwarzwei­ßen Havanesen. In der Pause zwischen den Spielen fetzt der kleine Hund seinem eigenen Ball hinterher. Dann kehrt wieder gewichtige Ruhe ein für die nächste Runde. „Manchmal spielen wir drei Stunden lang“, sagt Karin Bader. Gespielt wird, bis ein Team 13 Punkte erreicht hat. Punkte bekommt das Team, dessen Kugeln am nächsten an der kleinen roten Holzkugel liegen. „In Bayern ist das die Sau“, sagt Karin Bader und zwinkert mir aufmuntern­d unter ihrem Käppi hervor zu. Es gibt zwei Techniken: entweder legen oder schießen.

Mir bleibt gar keine Zeit, um lange zu überlegen. Schon drückt mir der Schwabmünc­hner Parkbouler-Vorsitzend­e Christoph Späth seine zwei Kugeln in die Hand. Sie haben ganz schön Gewicht und fühlen sich glatt und warm von der Sonne an. Ich schwinge die Kugel mit ordentlich

Schwung von vorne nach hinten. Als ich loslasse, fliegt sie so weit, dass ich schon Angst habe, einen unschuldig­en Spaziergän­ger zu treffen. Bader eilt zu mir: „Wenn du einen Bogen wirfst, rollt sie nicht so weit.“Ich schäme mich ein bisschen, da war ich wohl etwas zu top motiviert und bin froh, dass ich niemanden abgeschoss­en habe. Schließlic­h stehe ich auf einer Boule-Bahn, nicht an Bord eines mit Kanonenkug­eln bewaffnete­n Piratensch­iffs.

Am Ende jeder Runde zählen die Mannschaft­en die Kugeln, die am nächsten zum Schweinche­n liegen. Dank meiner Mitspieler steht es bald 12:7 für unser Team. Karin erklärt: „Wer die beste Kugel hat, tritt aus dem Wurfkreis zurück.“Dann ist das andere Team an der Reihe und muss aufholen. Wenn eine gegnerisch­e Kugel sehr nah am Schweinche­n liegt, wird geschossen. Das übernehmen meist die erfahrener­en Spieler im Team. Sie müssen mit ihrer Kugel die gegnerisch­e Kugel so treffen, dass sie wegrollt. Beim Legen ist es deshalb besser, die Kugeln vor dem Schweinche­n zu platzieren, erklärt mir Karin leise die Spieltakti­k. Wer eine Runde gewonnen hat, wirft das Schweinche­n neu aus und legt den Wurfring darum. Alle duzen sich und trinken gemütlich ihr Feierabend­bierchen.

Als ich wieder an der Reihe bin, führe ich die Kugel ruhig von vorne nach hinten und drehe dabei mein Handgelenk. Der Handrücken zeigt jetzt nach vorne. Ich nehme das Schweinche­n in den Blick und schon fliegt meine Kugel durch die Luft. Als sie aufschlägt, spritzen ein paar Kieselstei­ne nach oben. Ich bin überrascht, die Kugel liegt ziemlich nah am Schweinche­n. Von einem gegnerisch­en Mitspieler wird das mit einem sarkastisc­hen: „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn“, quittiert. Dann schießt er meine Kugel zur Seite weg. Also, ran an die zweite Kugel: Da ertönt hinter mir eine strenge Stimme: „Nicht den Wurfkreis mit den Füßen berühren.“ Ich schaue bedröppelt auf meine Füße: Schuhgröße 41 in bunten Chucks. Was soll man bei der Größe noch verstecken. Trotzdem versuche ich meine Füße etwas zierlicher in den Kreis zu drapieren. Am Ende rettet Karin das Spiel und macht den letzten Punkt für unser Team.

Insgesamt 16 Mitglieder haben die Schwabmünc­hner Park-Bouler derzeit und sie suchen Nachwuchs. Deutschlan­dweit gibt es rund 20.000 lizenziert­e Spieler in Vereinen. In Frankreich sind es sogar über eine halbe Million laut dem Deutschen Pétanque Verband. Früher haben die Parkbouler mitten im Park gespielt, seit 2003/2004 haben sie den Bouleplatz beim Biergarten. Auch im Neusässer Schmutterp­ark und in Königsbrun­n, in Meitingen sowie am Rathauspla­tz von Gersthofen und im Nachbarlan­dkreis Aichach-Friedberg in Kissing, sowie in Augsburg-Lechhausen gibt es Boulebahne­n. Im Untermeiti­nger Zentrum ist ebenfalls eine geplant.

 ?? ?? Dieser Sport bietet ein Hilfsmitte­l für Menschen mit Rückenprob­lemen: Das ist ein speziell geformter Magnet an einer Schnur, mit dem die Bouler ihre Kugeln vom Boden aufheben können, ohne sich bücken zu müssen.
Dieser Sport bietet ein Hilfsmitte­l für Menschen mit Rückenprob­lemen: Das ist ein speziell geformter Magnet an einer Schnur, mit dem die Bouler ihre Kugeln vom Boden aufheben können, ohne sich bücken zu müssen.
 ?? ?? Der Mann von Ingrid Küchle ist gerade im Wurfkreis. Er und seine Frau sind seit über 20 Jahren bei den Parkbouler­n in Schwabmünc­hen dabei. Luigi (links) macht erst seit Kurzem mit.
Der Mann von Ingrid Küchle ist gerade im Wurfkreis. Er und seine Frau sind seit über 20 Jahren bei den Parkbouler­n in Schwabmünc­hen dabei. Luigi (links) macht erst seit Kurzem mit.
 ?? Fotos: Oliver Heider (3) ?? Die Boule-Kugeln dürfen nur zwischen 650 und 800 Gramm wiegen. Ihr Durchmesse­r muss zwischen sieben und acht Zentimeter betragen.
Fotos: Oliver Heider (3) Die Boule-Kugeln dürfen nur zwischen 650 und 800 Gramm wiegen. Ihr Durchmesse­r muss zwischen sieben und acht Zentimeter betragen.
 ?? ?? Das „Schweinche­n“ist die rote Zielkugel. Sie ist meist aus Holz gefertigt. Die Spielkugel muss so nah wie möglich ans „Schweinche­n“heran. Dabei können gegnerisch­e Kugeln auch weggeschos­sen werden.
Das „Schweinche­n“ist die rote Zielkugel. Sie ist meist aus Holz gefertigt. Die Spielkugel muss so nah wie möglich ans „Schweinche­n“heran. Dabei können gegnerisch­e Kugeln auch weggeschos­sen werden.
 ?? ?? Die Vorsitzend­en Christoph Späth und Basti sind beide Schießer in ihren jeweiligen Teams und treffen ziemlich passgenau Kugeln und Schweinche­n, wenn es am nötigsten ist.
Die Vorsitzend­en Christoph Späth und Basti sind beide Schießer in ihren jeweiligen Teams und treffen ziemlich passgenau Kugeln und Schweinche­n, wenn es am nötigsten ist.
 ?? Fotos: Kristina Orth (3) ?? Karin Bader spielt noch Boule, während andere Teammitgli­eder sich eine Pause im Schatten gönnen.
Fotos: Kristina Orth (3) Karin Bader spielt noch Boule, während andere Teammitgli­eder sich eine Pause im Schatten gönnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany