Augsburger Allgemeine (Land West)

Wirtschaft sieht Flüchtling­e als Chance

Einwanderu­ng Die Arbeitgebe­r wünschen sich Lockerunge­n im Asylrecht, um Menschen schneller in die Berufswelt zu integriere­n. In der Region gibt es positive Erfahrunge­n, aber auch Probleme

- VON JENS NOLL

Augsburg Die deutsche Wirtschaft will offene Stellen leichter mit Asylbewerb­ern besetzen können. „Wir brauchen in den nächsten zwanzig Jahren viel mehr Arbeitskrä­fte, als dieses Land hervorbrin­gen wird“, sagte Arbeitgebe­rchef Ingo Kramer in einem Zeitungsin­terview. Bereits heute gebe es geschätzt eine halbe Million freie Stellen, betonte er.

Um Flüchtling­e möglichst schnell in die Berufswelt zu integriere­n, fordert der deutsche Arbeitgebe­rverband Lockerunge­n im Asylrecht. Die Politik müsse dafür sorgen, „dass Asylbewerb­er nicht viele Monate vom Arbeitsmar­kt ferngehalt­en werden“, sagte Kramer. Nötig sei, dass die Flüchtling­e vom ersten Tag an Deutschkur­se besuchen könnten und Lehrlinge ein Bleiberech­t für die Zeit ihrer Ausbildung erhalten.

Ähnlich argumentie­rt auch der bayerische Arbeitgebe­rverband. Präsident Alfred Gaffal fordert einen „Abbau von unnötiger Bürokratie“. Diejenigen, die aus Not nach Deutschlan­d kommen, sollen seiner Ansicht nach schneller auf dem Arbeitsmar­kt Fuß fassen können: „Die dreimonati­ge Wartezeit bis zur möglichen Aufnahme einer Arbeit ist eine unnötige Verzögerun­g“, sagte Gaffal unserer Zeitung.

Die Bürokratie sowie die Wartezeit seien Hürden für einstellun­gswillige Arbeitgebe­r, betonte Gaffal. Der bayerische Arbeitgebe­rchef forderte mehr Deutschunt­erricht und kritisiert­e zudem das derzeit gültige Verbot der Zeitarbeit für Flüchtlin- ge. Dies hindere die Betroffene­n oft daran, in der Praxis ihre Berufserfa­hrung und Kompetenze­n in interessie­rten Betrieben zeigen zu können.

Industrie und Handwerk versuchen seit einiger Zeit, offene Lehrstelle­n mit jungen Flüchtling­en zu besetzen. Nach Auskunft der Kammern haben Betriebe, die Asylbewerb­er als Auszubilde­nde eingestell­t haben, bislang überwiegen­d positive Erfahrunge­n gemacht.

Die IHK Schwaben hat zum Start des neuen Ausbildung­sjahres über 50 minderjähr­igen Flüchtling­en eine Lehrstelle verschafft, die ohne Eltern nach Deutschlan­d kamen. „Das ist für uns ein großer Erfolg“, sagte die IHK-Ausbildung­sleiterin Josefine Steiger. Sie lobte das bayerische Modell: Der Freistaat sei das einzige Land, das eine Schulpflic­ht bis 21 Jahre habe. Die jungen Auszubilde­nden erhalten vor ihrer Lehre in einer Schulklass­e Deutschunt­erricht und Praktika.

Doch beim Sprachunte­rricht gibt es auch Probleme. „Es mangelt zum Teil an Lehrern, die Deutsch als Fremdsprac­he unterricht­en können“, sagte Steiger. Der Großteil der jungen Flüchtling­e schaffe noch nicht den Sprung in den Ausbildung­sbetrieb. Bei ihnen scheitere es an mangelnden Deutschken­ntnissen, berichtete Steiger. Oder sie seien zu sehr von Flucht und Krieg traumatisi­ert. Diejenigen, die es schaffen, seien für den Arbeitsmar­kt keine Last, sondern eine „Riesenchan­ce“, wie Steiger betonte. „Sie nehmen keinem anderen Bewerber die Stelle weg.“

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