Augsburger Allgemeine (Land West)

Nonstop Hallervord­en

Porträt Der Dieter will kein „Didi“sein, obwohl er die Comedy im Fernsehen revolution­iert hat. Er ist auch ein Charakterd­arsteller, wie das seine jüngsten Filme belegen

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Wenn er die Stirn hochzieht, ist ein prägnanter Faltenwurf nicht zu leugnen. Und wenn er dazu ein diabolisch­es Grinsen aufsetzt, weiß der Zuschauer, dass seine Gegenspiel­er nichts zu lachen haben – aber dafür die Zuschauer umso mehr.

Dieter Hallervord­en könnte sich viel zugutehalt­en darauf, dass er die Comedy lange vor den Lücks, Engelkes und Co. geprägt hat. Aber da hält er sich eher bedeckt. Ihn ärgert viel mehr, dass TV-Redakteure ihm nur selten große Rollen andienen. Warum nur? Im vergangene­n Jahr hatte er in Til Schweigers Kino-Hit „Honig im Kopf“erfolgreic­h und überzeugen­d einen Alzheimer-Patienten gespielt.

An diesem Samstag wird er 80 Jahre alt und zeigt im Ersten (20.15 Uhr), was er kann. In der Komödie „Chuzpe – Klops braucht der Mensch!“spielt Hallervord­en einen Holocaust-Überlebend­en, der nach Jahrzehnte­n in Australien nach Berlin zieht – und dort mit seiner neuen, aus Polen stammenden Freundin ein Klops-Restaurant aufmachen will. Wie in allen guten Geschichte­n vermischen sich hier Nachdenkli­chkeiten und Humor.

„Ich wusste schon immer, dass ich auch ernste Rollen spielen kann. Mich hat einfach nur keiner gelassen“, klagt Hallervord­en, weil seine Karriere als Charakterd­arsteller erst spät begann. „Es war unheimlich schwer, aus der ,Didi‘-Schublade rauszuklet­tern und zu meinen Theaterwur­zeln zurückzuke­hren“, sagte er einmal. Schuld daran war er aber auch selbst. Der „Didi“, der immer Dieter genannt werden wollte („Didi ist halt eine Rolle!“), brachte ihm gutes Geld.

Heute gilt die TV-Reihe „Nonstop Nonsens“mit ihrem Slapstick und einem großartige­n Schauspiel­erteam – wer mochte nicht Rotraud Schindler? – heute selbst unter Kritikern als Kult. Damals war das nicht so. „Die Engländer Marty Feldman und Mr. Bean wurden gefeiert, ich nicht“, sagt Hallervord­en. Aber er lieferte Szenen, die zum Kanon deutschen TV-Vergnügens zählen. Ob mit seinem „Palim, palim!“im Gag über die „Flasche Pommes frites“oder dem schwarzhum­origen Butler-Auftritt im Sketch „Die Kuh Elsa“. Bissiger und politische­r war Hallervord­en schon früh in seinen Kabarettpr­ogrammen und von 1994 bis 2003 in der TV-Reihe „Hallervord­ens Spott-Light“.

Seit mehr als 55 Jahren steht der gebürtige Dessauer, der 1958 in den Westen ging, auf der Bühne. Die Anfänge seiner Karriere liegen im politische­n Kabarett der sechziger Jahre, bei den „Wühlmäusen“. Heute leitet der Dieter ohne Didi zwei Bühnen in der Hauptstadt: das Schlosspar­ktheater für anspruchsv­olle Unterhaltu­ng und die „Wühlmäuse“am Funkturm.

Hallervord­ens Wahlheimat ist ein Schloss in Frankreich. Er ist in zweiter Ehe verheirate­t und hat vier Kinder. Im Nachbarlan­d jedenfalls wird ihm kein Kneipenbru­der die Pommes in Flaschen schulterkl­opfend auf dem Herrenklo noch mal erzählen. Rupert Huber

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Foto: Paul Zinken, dpa

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