Augsburger Allgemeine (Land West)
Einen Mann zieht es in die Luft
ern: Die Nähe von Politik, Wirtschaft und Adel gestaltete sich offensichtlicher als heute.
Aber der CSU-Altmeister sollte nicht mehr auf einen Hirsch zielen. Er brach am 1. Oktober zusammen und starb zwei Tage später. Die zuvor bei MAN entstandenen Fotos zeigen ihn lächelnd. In seiner Rede sagte Strauß „Späisch“, wenn er „Space“, den Weltraum, meinte. Dort gehörten die Deutschen hin. Dabei dürfe sich das Land nicht von Kleingläubigen – auch so ein Lieblings-Feindbegriff des Bayern – abhalten lassen. In Augsburg stilisierte sich Strauß zum Modernisierer Bayerns, ohne den es keine europäischen Airbus-Flugzeuge oder Ariane-Raketen und damit tausende Arbeitsplätze gäbe. Strauß klopfte sich auf die Schultern: „Ich kann stolz darauf sein, dass das einst rückständige Agrarland Bayern zum Zentrum der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie geworden ist.“
Zurückhaltung lag ihm nicht. So sagte er einmal in seinem angriffslustigen Humor: „Ich halte viel von Bescheidenheit, doch manchmal halte ich es auch mit Goethe: Nur Lumpen sind bescheiden.“
Was dabei interessant ist: Der von Kritikern als Reaktionär gescholtene Strauß wendet diesen Begriff auf seine Gegner an, die glaubten, „sie könnten das kleine Glück im stillen Winkel pflegen, anstatt sich dem harten Wettbewerb zu stellen“. Letztlich lässt sich die Strauß’sche Weltsicht auf eine einfache Formel bringen: Hier stehe ich, der Modernisierer, dort die romantischen Spießer. Wie sagte der Bayer gerne: „Konservativ heißt an der Spitze des Fortschritts marschieren.“So war Strauß vom Gedanken beseelt, die Früchte der Wissenschaft würden mehr Wohlstand für alle bringen. Er förderte den „Rohstoff Geist“im rohstoffarmen Bayern. Deshalb lockte er den genialen Luftfahrt-Ingenieur Ludwig Bölkow von Stuttgart nach München. Das war der Keim für Luftfahrtfirmen wie MBB, Dasa, EADS und heute Airbus. Und um mehr Industrie in Bayern anzusiedeln, engagierte sich Strauß intensiv gegen alle Widerstände für die friedliche Nutzung der Kernenergie und damit günstigen Strom. Sein Schüler Otto Wiesheu, einst Wirtschaftsminister in Bayern, schildert ihn als „weitsichtigen Mann“. Das zeigte sich bei seinem Herzensprojekt eines europäischen Luftfahrtunternehmens, das sich gegen den damals übermächtigen US-Hersteller Boeing behaupten kann. Lange schien das ein aussichtsloses Unterfangen zu sein.
Strauß hielt jedoch stur daran fest und avancierte als Vorsitzender der Deutschen Airbus GmbH zum Chefverkäufer des Unternehmens. Der Industriepolitiker vermengte Politik und Wirtschaft in inniger Weise, wie sie heute nicht mehr akzeptiert und einen Politiker rasch zum Rücktritt zwingen würde. Für Wiesheu steht aber fest: „Ohne Strauß gäbe es Airbus nicht.“Selbst der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel gesteht ein, Strauß habe Substanzielles durch seinen Einsatz für Airbus geleistet. Wenn der CSU- Franz Josef Strauß liebte die Luft- und Raumfahrt. Hier einige Aspekte seines Engagements für die Branche, wie sie Airbus auflistet: ● In seiner Begeisterung für die Luftund Raumfahrt verbanden sich bei Franz Josef Strauß private Vorlieben und politisches Engagement. Bereits 1968 hatte er eine Lizenz für Propellerflugzeuge erworben, 1985 folgte die Pilotenlizenz für Düsenflugzeuge. ● Als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Airbus in Hamburg und des Konsortiums Airbus Industrie in Toulouse von 1970 bis zu seinem Tode im Jahr 1988 trieb er den Aufbau eines europäischen Wettbewerbers Matador heute die glänzenden Bilanzen des Luftfahrtkonzerns, der schon lange auf Augenhöhe mit Boeing fliegt, studieren könnte, würde er sich nicht nur einmal auf die Schultern klopfen. Denn im Auftragsbuch stehen 6697 Flieger.
Das lastet den Augsburger Luftfahrtstandort des Airbus-Zulieferers Premium Aerotec bis zu neun Jahre aus. In Toulouse, am französischen Airbus-Stammsitz, wurde dem Bayern längst reichlich Ehre zuteil. Dort gibt es eine „Rue Franz Joseph Strauss“. Und der deutsche AirbusChef Thomas Enders hat sich etwas Besonderes zum Strauß-Jubiläum ausgedacht: Er lässt ein Flugzeug über Bayern kreisen, das ein Banner mit der Aufschrift „100 Jahre FJS – Airbus sagt Danke“hinter sich herzieht. Heute soll es über Augsburg fliegen.
Der bayerische FDP-Chef Albert Duin mag den Luftfahrt-Lobbyisten nicht loben. Er fordert die Umbenennung des Münchner FranzJosef-Strauß-Airports. Der Liberale reagiert auf Enthüllungen des Spiegel, nach denen der Bayern-Patriarch über eine Briefkastenfirma zu den dominanten US-Herstellern maßgeblich mit voran. ● Auch für die Raumfahrt setzte sich Strauß ein. 1965 sprach er im Deutschen Bundestag über die Bedeutung der Weltraumtechnik als Teil einer nationalen Wissenschafts-, Forschungs- und Entwicklungspolitik. Zwei Jahre später wurden in Anwesenheit des damaligen Finanzministers Franz Josef Strauß die Grundsteine der Satellitenempfangsstation und des Raumfahrtkontrollzentrums des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt bei Weilheim und bei Oberpfaffenhofen gelegt. (sts) Quelle: Airbus, Hanns-Seidel-Stiftung Schmiergelder von deutschen Konzernen erhalten haben soll. Doch bisher ist es dem Spiegel trotz jahrzehntelangen Bemühens nicht gelungen, nachzuweisen, dass Strauß bestechlich war. Was Airbus betrifft, stand der CSU-Mann immer wieder unter Verdacht. Floss Geld an ihn auf ein Konto mit dem Decknamen „Master“? Mit Akten zu Strauß-Affären ließe sich eine Bibliothek ausstatten. Der StarfighterSkandal dürfte dabei einen Raum beanspruchen. Denn der militärische Abfangjäger wurde beschafft, als Strauß Verteidigungsminister war. Der Flieger erwarb sich den traurigen Namen „Witwenmacher“, weil von den 916 Maschinen 269 abstürzten und 116 Piloten tödlich verunglückten. Die Flugzeuge waren technisch unausgereift und wurden trotzdem eingesetzt. Warum wurde nicht ein Konkurrenzmodell gekauft? Und vor allem: Zahlte der US-Hersteller Lockheed wie Regierungsvertretern anderer Länder auch an Strauß Schmiergeld? Dem CSU-Mann konnte wiederum nichts nachgewiesen werden.
Alles nur Vorwürfe von Kleingeistern und Engstirnigen? Über den CSU-Meister sagte sein größter Fan Peter Gauweiler: „Wenn Strauß ins Ausland gefahren ist, kam er zurück und hat mindestens zwei Airbus verkauft.“Heutige Politiker machten dagegen eine Pressekonferenz und sagten, sie hätten ihre Scampi selbst bezahlt, egal ob es stimme oder nicht. Auf alle Fälle gibt es in Deutschland keinen Wirtschaftspolitiker wie Strauß mehr. „Er hat auf Augenhöhe mit Unternehmern agiert – ohne Komplexe“, meint Wiesheu. Dann haut der einstige Strauß-Intimus einen Pflock ein: Das mit der Korruption könne man vergessen. Er sei immer korrekt gewesen. Die Rechercheure des Spiegel werden das wohl auf ewig anders sehen. Das sind sie Rudolf Augstein schuldig.