Augsburger Allgemeine (Land West)
Was die EU gegen niedrige Milchpreise tun will
Sitzung Am Montag beraten die Agrarminister in Brüssel. Eine Rückkehr zur Quotenregelung scheint unwahrscheinlich
Brüssel Mit einer gemütlichen Sitzung sollten die europäischen Agrarminister am Montag in Brüssel nicht rechnen. Auch wenn man die Ressortchefs durch einen Hintereingang ins Ratsgebäude schaffen wird, dürfte der Lärm der Demonstranten sehr wohl zu ihnen dringen. Tausende Milchbauern aus ganz Europa haben sich angekündigt, die mit Hunderten Traktoren den Brüsseler Verkehr lahmlegen wollen, um ihrem Ärger Luft zu machen.
Seit im April die umstrittene Milchquote nach 31 Jahren ausgelaufen ist, ist der Milchpreis im freien Fall. Zuletzt bekamen die bayerischen Landwirte zum Teil weniger als 30 Cent pro Kilo – und damit zehn Cent weniger als noch vor einem Jahr. Um wirtschaftlich produzieren zu können, brauchen sie mehr. Von einer „Milchpolitik, die die Erzeuger ruiniert“spricht man beim europäischen Dachverband, dem European Milk Board.
Doch EU-Agrarkommissar Phil Hogan aus Irland hat bereits klargemacht, dass „wir an der stärkeren Marktausrichtung der europäischen Landwirtschaftspolitik festhalten wollen, die 1999 begonnen hat“. Daher werde man mit Entscheidungen „sehr behutsam“sein. Und auch die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft erteilte Hoffnungen, es werde zu einer Auferstehung der Quote kommen, bereits eine Absage. Man werde „nicht über Produktionskontrolle, wohl aber über Produktionsmanagement“reden.
Tatsächlich ist der Wegfall der Milchquote, mit der die jahrzehntelange Überproduktion begrenzt werden sollte, nur teilweise an der jetzigen Situation Schuld. Die Lage eskalierte durch den Wegfall des russischen Marktes nach dem Embargo sowie die sinkende Nachfrage aus China. In Brüssel will man deshalb eher neue Märkte wie Lateinamerika oder Asien forcieren und die innereuropäische Nachfrage ankurbeln, statt eine neue Quote zu initiieren. Weitere Instrumente zur Erhöhung des Absatzes könnten – in Anlehnung an die Schulmilch – Abgabeaktionen an soziale Einrichtungen wie Altenheime, Kindergärten und andere Bildungsinstitutionen sein. Zudem scheint der Agrarkommissar auch die 900 Millionen Euro „Superabgabe“aus dem letzten Quoten-Jahr nutzen zu wollen, um Einkommensbeihilfen und andere Unterstützungen direkt an die Bauern auszuzahlen. Anträge von Landwirten aus Polen, Tschechien, Ungarn, Litauen und Bulgarien liegen bereits vor – aus Deutschland ging bisher kein entsprechender Wunsch ein.
Die deutschen Milchbauern lei- den vor allem unter dem Preiskampf der großen Lebensmittelketten. In einigen Mitgliedstaaten wie Belgien gibt es neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Handel und Milcherzeugern. Ein Modell, das Brüssel nur allzu gerne in andere Länder exportieren möchte. Doch das wird die erhitzten Gemüter am Montag kaum beruhigen können. Die belgische Hauptstadt stellt sich schon auf heftige Auseinandersetzungen auf der Straße ein.