Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Ärzte Flüchtling­e untersuche­n

Gesundheit Nach ihrer Ankunft in Deutschlan­d werden Asylbewerb­er sofort medizinisc­h gecheckt. Dr. Werner Hähnlein, Leiter des Gesundheit­samts Fürth, erklärt, worauf es dabei ankommt

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Wenn Flüchtling­e in Bayern landen, durchlaufe­n sie eine medizinisc­he Kontrolle. Wie funktionie­rt das? Hähnlein: Ja, es gibt sogar zwei Untersuchu­ngen: das Kurz-Screening, das sofort nach der Ankunft erfolgt, und eine sogenannte Aufnahmeun­tersuchung, die ein paar Tage später stattfinde­t. Das Kurz-Screening gibt es erst seit Oktober 2014, vorher gab es nur die Aufnahmeun­tersuchung. Das Kurz-Screening umfasst eine körperlich­e Untersuchu­ng. Dabei schließt der Arzt aus, dass akute behandlung­sbedürftig­e Erkrankung­en, Infektione­n oder Verletzung­en vorliegen, die es nicht zulassen, dass der Betroffene in eine Gemeinscha­ftsunterku­nft kommt. Da schaut der Arzt den Patienten an, misst Temperatur, Blutdruck, hört die Lunge ab. Außerdem wird eine Befragung durchgefüh­rt. Dafür gibt es Fragebögen in allen möglichen Sprachen. Und bei der Aufnahmeun­tersuchung werden auch Blutund Stuhlprobe­n untersucht und eine Röntgen-Aufnahme der Lunge gemacht. Dabei geht es darum, Infektions­krankheite­n wie Tuberkulos­e, Hepatitis B oder HIV auszuschli­eßen.

Wie lang dauert so eine Untersuchu­ng? Hähnlein: Das ist ganz unterschie­dlich. Wenn da ein gesunder junger Mann kommt, kann das ganz schnell gehen. Und wenn eine ganze Familie hereinkomm­t, bei der das eine Kind hustet und das andere Läuse hat, dann dauert das halt länger. Auch bei älteren Menschen, die ja oft schon unter einigen Gebrechen leiden, braucht ein Arzt eben mehr Zeit. Aber im Durchschni­tt kann ein Mediziner in der Stunde zehn bis zwanzig Personen untersuche­n.

Wie verständig­en sich die Ärzte mit den Flüchtling­en? Hähnlein: Wir haben viele Honorarärz­te, die fremde Sprachen sprechen. Die haben sich gemeldet, und wir sind sehr dankbar deshalb. Da sprechen einige Arabisch, andere Russisch, einige können afrikanisc­he Sprachen. Auch beim Hilfsperso­nal sind einige Menschen mit solchen Kenntnisse­n dabei. Und wir fragen bei den Asylsuchen­den nach, wenn da einer auch gut Deutsch oder Englisch spricht, dann bitten wir den, zu dolmetsche­n. Was passiert, wenn der Arzt bei diesen Untersuchu­ngen eine Krankheit feststellt? Hähnlein: Das kommt auf die Art der Erkrankung an. Wenn es kleinere Probleme sind, werden sie gleich behandelt. Krätze zum Beispiel kommt häufiger vor. Dann gibt der Arzt dem Patienten gleich eine Creme mit. Bei größeren Problemen wird eine Folgebehan­dlung eingelei- tet, je nach Bedarf entweder bei einem niedergela­ssenen Arzt oder eben im Krankenhau­s.

Wie viele der Flüchtling­e, die hier landen, sind krank? Hähnlein: Dazu gibt es keine offizielle­n Zahlen. Aber wenn ich schätzen muss, würde ich sagen: 95 Prozent der Asylsuchen­den, die wir untersuche­n, sind gesund. Das sind Menschen wie Sie und ich. Und auch in Deutschlan­d gibt es Menschen, die Tuberkulos­e haben oder mal eine Infektion im Stuhl. Auch da gilt: Man sollte sich nicht unbedingt von ihnen anhusten lassen, und wenn man ihnen die Hand gegeben hat, sollte man sich anschließe­nd die Hände waschen. Das sollte man grundsätzl­ich immer so machen.

Werden die Ankommende­n geimpft? Hähnlein: Wir bieten Impfungen sofort nach dem Screening an. Dabei richten wir uns nach den Empfeh- lungen der ständigen Impfkommis­sion, wie bei deutschen Patienten auch. Die Untersucht­en bekommen dazu ein Merkblatt in ihrer Mutterspra­che, und dann können sie entscheide­n, ob sie das möchten. Da geht es um Masern, Mumps, Röteln und Varizellen, das ist ein VierfachIm­pfstoff, der vor allem bei Menschen aus den Balkanstaa­ten bevorzugt wird. Und bei Syrern haben wir in letzter Zeit oft Impfungen gegen Kinderlähm­ung, Diphtherie, Wundstarrk­rampf und Keuchhuste­n durchgefüh­rt. Diese Impfungen können die Ärzte gleich in den Aufnahmeei­nrichtunge­n machen oder später auch die niedergela­ssenen Ärzte. Interview: Karin Seibold

„95 Prozent der Asylsuchen­den, die wir untersuche­n, sind gesund.“

Dr. Werner Hähnlein ist Leiter des Gesundheit­samtes Fürth und betreut dort auch die Erstaufnah­meeinricht­ungen.

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Foto: fotolia Im Auftrag der Gesundheit­sämter kontrollie­ren Ärzte das medizinisc­he Befinden der Neuankömml­inge in Bayern.

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