Augsburger Allgemeine (Land West)
Klassik und Rock ergibt „baRock“
Vielsaitig Das Füssener Musikfestival bringt diesmal scheinbar Gegensätzliches zusammen
Füssen Ein Schmuckstück ist der Kaisersaal im ehemaligen Benediktinerkloster St. Mang in Füssen. Üppig sind die Stuckarbeiten. Den Gegensatz von Kirche und Welt behandeln die Deckenfresken. Der prunkvolle Raum, der bis 2011 als Fürstensaal bekannt war, ist aber nicht nur das Zentrum der eindrucksvollen barocken Klosteranlage, sondern auch des Musikfestivals „Vielsaitig“. Hier finden die Konzerte statt, die seit 2003 unter der künstlerischen Federführung des Verdi-Quartetts nicht nur Klassikfans von nah und fern anlocken.
Zum Konzept des Festivals, das von der Stadt Füssen getragen und von einem Förderverein unterstützt wird, gehört jeweils ein Thema. Um Wind, Wasser, Italien, den Orient oder um Macht ging es beispielswei- se. „Vielsaitig“will auch Grenzen überwinden, Gemeinsamkeiten aufspüren. Dabei halfen Stars wie Jordi Savall, Cameron Carpenter oder David Orlowsky. „baRock“heißt das Motto der nunmehr 13. Auflage, bei der im nur 144 Sitzplätze fassenden Kaisersaal nicht nur Klassik serviert wird, unter anderem von Veronika Eberle & Michail Lifits (8. September). Es wird auch gerockt (Eric Gauthier, 9. September) und gejazzt (David Gazarov, 10. September).
Bei den ausverkauften Auftaktkonzerten ging es zunächst noch klassisch zu. Das Verdi-Quartett beschäftigte sich mit der Form der Fuge bei Mozart, Bartók und Smetana. Das unlängst erneut mit einem Echo Klassik ausgezeichnete Freiburger Barockorchester (FBO) widmete sich „Bach und Kollegen“. Bereits bei Georg Philipp Telemanns Ouvertüre in B-Dur war er zu erle- ben, dieser warme Pastell-Ton, den das FBO auszeichnet. Elegant, kantabel und souverän gestalteten die Musiker die Phrasierungen, so in Jan Dismas Zelenkas „Hipocondrie“à 7 Concertanti A-Dur. Dieses der historischen Aufführungspraxis verpflichtete Orchester spielt nicht, es singt – und wärmt das Herz.
Im Mittelpunkt steht die lustvoll musizierende und leitende Geigerin Petra Müllejans, die mit Oboistin Susanne Regel fesselnde Dialoge führte (in Johann Friedrich Faschs Concerto d-Moll) oder auch mit dem famosen Cem- balisten Andreas Staier (in Johann Sebastian Bachs Konzert g-Moll).
Bis zum 12. September läuft das Festival, das mit Konzerten, Meisterkursen und Vorträgen an die Lauten- und Geigenbautradition Füssens anknüpft. 1562 wurde hier die erste Lautenmacherzunft Europas gegründet. 20 Werkstätten gab es damals bei 2000 Einwohnern. Auch Geigenbauer ließen sich im 17. und 18. Jahrhundert nieder. 1890 starb der letzte. 100 Jahre später sorgte der Schweizer Pierre Chaubert dafür, dass die Geigenbau-Tradition wieder auflebte. Heute gibt es fünf Werkstätten und eine Gitarren- und Lautenbauerwerkstatt in Füssen. Iwww.
festival-vielsaitig.fuessen.de