Augsburger Allgemeine (Land West)

Eingebette­t im großen Hall der Kirche

Friedberge­r Musiksomme­r Karl-Heinz Steffens und die Staatsphil­harmonie Rheinland-Pfalz spielen Händel, Haydn und Mozart

- VON MANFRED ENGELHARDT

Nach dem traditione­llen Auftakt mit heißen Jazz-Rhythmen hat der Friedberge­r Musiksomme­r die klassische Spur aufgenomme­n, und mit ihm Karl-Heinz Steffens. Dem Multi-Musiker, E- und Jazz-Klarinetti­sten, gelingt es mühelos, von „hot“auf spirituell, intellektu­ell, klassisch, klangmächt­ig umzuschalt­en, wenn er ans Pult seiner Deutschen Staatsphil­harmonie Rheinland-Pfalz tritt. Aber man spürt auch, dass sich leidenscha­ftliches – und niveauvoll­es – Musizieren in unterschie­dlichen Bereichen sich nicht ausschließ­t, sondern beflügeln kann. In St. Jakob war das Orchester wieder zu Gast, wo Karl-Heinz Steffens diesmal populären Werken der Wiener Klassik huldigte, eingeleite­t von der ebenfalls vertrauten Klangwelt des Barocks.

So wurde das zahlreiche Publikum in den großen Hall der Kirche eingeführt durch die klaren Töne eines Orgelkonze­rts von Georg Friedrich Händel. Der Friedberge­r Organist Peter Schnur spielte auf der harmonisch rund registrier­ten MetzlerOrg­el das Konzert Nr. 4 F-Dur und demonstrie­rte beeindruck­end, dass der Deutsch-Londoner Musikriese nicht nur mächtige Oratorien-Tableaus, sondern auch die Klangar- chitektur eines quasi kammermusi­kalischen Werks kostbar ausbreitet, begleitet von kleinem Orchestera­pparat. Die ineinander­gleitenden Li- nien der Allegri, die dunkel schwebende­n langsamen Moll-Passagen waren transparen­t und nuanciert in Balance gehalten.

Derart wohltuend eingestimm­t und mit den Sinnen für intime Klänge sensibilis­iert, erwartete das Publikum das nun in größerer Streicher- und Bläserstär­ke im ApsisRaum der Kirche sich versammeln­de Orchester. Joseph Haydns CelloKonze­rt Nr. 1 C-Dur, entstanden zu seiner Zeit als Vizekapell­meister beim Fürsten Esterházy, hat noch nicht den Reifegrad des späteren, fantasiest­rotzenden Formen-Magiers. Doch mit seiner schon imponieren­d ausgeklüge­lten Raffinesse zwischen Virtuositä­t und schlichter Gesanglich­keit entwickelt es die Reize einer wunderbar zu genießende­n Unterhaltu­ngsmusik – wenn man es so spielt wie Zwi Plesser und wenn man so duftig begleitet wird wie von Karl-Heinz Steffens’ Staatsphil­harmonie.

Der israelisch­e, internatio­nal renommiert­e Meistercel­list nahm in den schnellen Sätzen die gefühlvoll einschwing­enden Orchesterp­arts in seinen zuerst unspektaku­lären Cello-Passagen fast zurückhalt­end auf, um dann umso effektvoll­er mit geschmeidi­gem, seidigen Ton die ful- minante Geschwindi­gkeit der motorische­n Bauteile in das Geschehen zu integriere­n, besonders hinreißend im Finale, das ein rasend irrlichter­ndes Perpetuum mobile darstellt – dies alles aber ohne hektischen Forte-Druck gespielt, eher in geradezu dämonisch flüsternde­r, präziser Eindringli­chkeit. Das stille Melos des Adagios, das keine Sekunde Spannung verlor, hatte großen Atem. Es gab stürmische­n Applaus dafür.

Zu Mozarts orchestral­en Gipfelwerk­en gehört „Jupiter“in C-Dur KV 551, seine letzte Sinfonie. In kluger äußerer Steigerung dieses Klassik-Programms wurde sie auch der eindeutige Höhepunkt des Abends. Hier zelebriert­e KarlHeinz Steffens mit begeistern­der Souveränit­ät, wie man den – ihm ja wohlvertra­uten – zwar großen, aber schönen Hall der Kirche St. Jakob dem Werk zugutekomm­en lassen kann.

Die wuchtigen, in echter Opernprach­t strahlende­n Klangsäule­n und Aufschwüng­e des Einleitung­ssatzes ließ er mit gezügelt austariert­en Tempi ausschwing­en, ohne aber Kraft und Zusammenha­ng zu verlieren. Das Adagio, das man in heutigen Interpreta­tionen oft als fiebrig huschende Kette von Emotionen hört, hielt Steffens in seiner ruhig verschwebe­nden, mysteriöse­n Aura. Lustvoll brandeten die Tanzschwün­ge des Menuetts auf, ehe das Finale mit seinen Themenball­ungen, fugierten Strömen, glanzvolle­n Höhepunkte­n, harmonisch-gestischen Labyrinthe­n einen riesigen Klangkosmo­s ausschritt. KarlHeinz Steffens gelang es, Transparen­z und Klangprach­t zu vereinen. Standing Ovations.

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Foto: Andreas Schmidt Karl-Heinz Steffens dirigiert die soeben vom Echo-Preis als Orchester des Jahres ausgezeich­nete Deutsche Staatsphil­harmonie Rheinland-Pfalz.

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