Augsburger Allgemeine (Land West)
Reiche Kommune, arme Kommune
Finanzen I Das Landesamt für Statistik weiß, wie viel Geld Städte und Gemeinden durch Steuern einnehmen. Die Erhöhung der Gewerbesteuer in Augsburg spielt eine Rolle. Und: Die Statistik liefert Überraschendes
Region Gewerbesteuer – schon das Wort jagt Kommunalpolitikern wie Firmenchefs Schauer über den Rücken. Konjunkturabhängig, daher stark schwankend, kompliziert in der Abrechnung durch Vorauszahlungen, Nachzahlungen, Verrechnungen. Kurzum: Für Kommunen ist sie ebenso schwer zu kalkulieren wie für Unternehmen. Doch keiner kommt um das Thema herum. Jetzt ist die Gewerbesteuer, genauer eine Erhöhung von Hebesätzen, in der Region wieder aktuell.
Anlass ist der Rüffel der Regierung von Schwaben zum Haushalt der Stadt Augsburg: Die klamme Großstadt solle angesichts hoher Ausgaben, etwa im Sozialen, und der vielen Vorhaben, etwa Theatersanierung, alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen – wozu auch die Steuern zählen. Damit fällt der Blick automatisch auch ins Umland: Wenn der „Standort Augsburg“durch höhere Steuern (noch) teurer wird, haben dann die Gemeinden im „Speckgürtel“leichteres Spiel, Firmen nach draußen zu locken? Oder ist die Steuerfrage bei den Unter- nehmen gar nicht so entscheidend, weil Fachkräfte und schnelle Internetanbindungen wichtiger sind?
Peter Lintner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben, gibt eine eindeutige Antwort: Die Steuerfrage spielt in den Unternehmen nach wie vor eine große Rolle. Bei einer aktuell ausgewerteten Umfrage unter 550 Mitgliedsfirmen bezeichnete ein Viertel die Höhe als „sehr wichtig“, über die Hälfte „wichtig“. Für über 80 Prozent hat die Gewerbesteuer also eine große Bedeutung.
Sinn und Notwendigkeit der Gewerbesteuer mag Lintner nicht bestreiten, schließlich finanzieren die Kommunen davon auch ihre Infrastruktur – von Verkehrswegen über Gewerbegebiete bis hin zu Kultur-, Bildungs- und Freizeitstätten. Doch warnt der Wirtschaftsvertreter davor, die Balance zwischen Nutzen für alle und Belastung der Betriebe zu verlassen: „Wenn ich die Leis- tungsfähigkeit meiner Wirtschaft bedrohe, kann ich mein finanzielles Fundament beschädigen.“Und Lintner verhehlt auch eine zweite Sorge nicht: Wenn Augsburg die Steuern erhöht, bestehe die Gefahr, dass die ein oder andere Gemeinde in den Nachbarkreisen mitziehen könnte – quasi im Windschatten.
Ob diese Befürchtung berechtigt ist, werden die Finanzberatungen in den Stadt- und Gemeinderäten in den nächsten Wochen zeigen. Tatsache ist, dass es in der Region eine Reihe von reichen, aber auch finanziell weniger gut ausgestatteten Kommunen gibt. Und es gibt große Unterschiede in der Frage, wie viel Geld einer Gemeinde die Gewerbesteuer tatsächlich einbringt. Ein Blick in das Zahlenwerk des Bayerischen Landesamts für Statistik bringt denn auch erwartete Antworten ebenso wie Überraschendes.
Auch wenn viel über die Finanzschwäche Augsburgs geredet wird (was im Großstädtevergleich zutrifft), so ist doch klar, dass an Lech und Wertach die Fuggerstadt mit Abstand die höchsten Steuereinnahmen erzielt (2014: 316 Millionen Euro) – freilich mit den höchsten Hebesätzen. Um Platz zwei in der Region liefern sich Friedberg und Gersthofen ein Kopf-an-Kopf-Rennen: 2014 hatte die Herzogstadt am Lechrain die Nase vorn. Doch während Friedberg stark von Einkommenssteuern lebt, bringen in Gersthofen Handel, Gewerbe und Industrie fast zwei Drittel aller Steuern.
In Augsburg liegt das Verhältnis bei „Halbe-halbe“, ähnlich sieht es bei den elf größten Orten nur in Meitingen (Stahlwerk) und Schwabmünchen aus. Vergleicht man die Landkreise, wird klar, dass im Wittelsbacher Land die Gewerbesteuer eine geringere Bedeutung (38%) hat als im Kreis Augsburg (42%). Haupteinnahmequelle für die meisten sind also die Anteile an der Einkommen- und die Grundsteuern.
Und welche Kommune hat die höchste Steuersumme pro Kopf? Klare Antwort: Fischach. Warum? Dort ist Müllermilch ansässig. Es folgen Wehringen (Interquell), Gersthofen, Zusmarshausen (Sortimo, Schwarzbräu) und Langenneufnach (Topstar). Am Ende der Liste von 71 Kommunen rangieren Schmiechen, Scherstetten, Klosterlechfeld, Petersdorf und Ehingen. Übrigens: Die Großstadt Augsburg liegt hier auf Platz 12.
Balance zwischen Nutzen für alle und Belastung der Betriebe nicht verlassen.