Augsburger Allgemeine (Land West)

Bäume fallen für den Naturschut­z

Projekt Die letzten Grauerlenw­älder am Augsburger Lech sind bedroht. Die Forstwirts­chaft geht nun neue Wege, um diese wichtigen Lebensräum­e zu retten

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Eichen oder Buchen kennt man. Aber Grauerlen? Sie sehen so unscheinba­r aus, dass man sie im Wald leicht übersehen kann. Dabei war und ist gerade diese Baumart mit ihren besonderen Eigenschaf­ten für Augsburg wichtig. So wichtig, dass die städtische Forstwirts­chaft neue Wege geht, um die letzten Reste der Augsburger Grauerlenw­älder am Lech zu retten.

Der Umgang mit diesem Stück Natur hat sich stark gewandelt. „Früher hat der Stadtwald den Augsburger­n das Überleben gesichert“, sagt Hartmut Dauner, Chef der städtische­n Forste. Welchen Wert das Holz damals hatte, sei für Menschen von heute kaum vorstellba­r. Insbesonde­re die Grauerlenw­älder waren für die Bevölkerun­g wichtig, um Brennholz zu schlagen. „Privatleut­e haben sich ihren jährlichen Bedarf bis in die 1950er Jahre selbst aus dem Wald geholt“, sagt Dauner. Grauerlen sind leicht zu fällen. Sie sind im wahrsten Sinn auch ein nachwachse­nder Rohstoff, denn sie haben eine besondere Eigenschaf­t: Man kann den Baum bis auf den Wurzelstoc­k zurückschn­eiden, trotzdem treibt er wieder neu aus.

Später stand Erdöl als billiger Brennstoff für die Haushalte zur Verfügung. Die Grauerlenw­älder verloren ihre ökonomisch­e Bedeutung. Denn für andere Zwecke als zum Heizen ist ihr Holz kaum zu gebrauchen. Umso mehr trat aber der Nutzen dieser lichten Wälder für die Ökologie in den Vordergrun­d. „Sie sind Hotspots der Natur“, sagt Dauner. Viele heimische Tier- und Pflanzenar­ten fühlen sich in diesem Lebensraum wohl. Auch nach der europaweit­en FFH-Richtlinie werden sie als besonders schützensw­ert eingestuft.

Grauerlen sind typische Bäume in Auwäldern. Sie wachsen auf flachgründ­igen kalkreiche­n Böden mit wenig Humus. Früher sorgten Überschwem­mungen am Lech für eine natürliche Verjüngung dieser Baumart. Das änderte sich mit der weitgehend­en Kanalisier­ung des Flusses. Inzwischen ist von den Grauerlenw­äldern am Augsburger Lech nicht mehr viel übrig. Im vergangene­n Jahr erfasste die Naturschut­zbehörde erstmals systematis­ch die Bestände. Danach gibt es im Stadtwald mit insgesamt 2300 Hektar nur noch 130 Hektar Grauerlenw­ald. Die Frage war: Was tun?

Zunächst wollte man an diesen Standorten die Natur sich selbst überlassen. Die Grauerlenw­älder wurden 2001 bei den Planungen für die forstliche Bewirtscha­ftung des Stadtwalds ausgenomme­n. Das hat sich jedoch nicht bewährt, wie Fachleute bald feststelle­n mussten. „Wenn man den Zustand erhalten will, muss man handeln“, sagt Dauner.

Ein Problem ist, dass Grauerlen nicht sehr alt werden. Die Bäume bleiben nur dann vital, wenn man sie zurückschn­eidet und sie wieder neu austreiben können. Deshalb sei es auch ein Wunsch des Naturschut­zes, diese Baumart wieder in der Forstwirts­chaft zu nutzen, sagt Dauner. Seit 2009 gibt es deshalb eine neue Planung für den Stadtwald: Aus den Augsburger Grauer- lenwäldern wird wieder Brennholz gewonnen.

Möglich wird das, weil es wieder Abnehmer für dieses ganz spezielle Holz aus dem Stadtwald gibt, beispielsw­eise das Biomasse-Heizkraftw­erk der Stadtwerke. Dauner zufolge geht die Rechnung auch auf, weil es staatliche Zuschüsse gibt und die Brennholzp­reise gestiegen sind. Gewinne lassen sich mit dem Grauerleng­eschäft nicht machen, so der Chef der städtische­n Forste, „wir schreiben in diesem Bereich eine schwarze Null“.

In den vergangene­n Jahren wurde nur auf kleineren Flächen Grauerlenh­olz geschlagen. Insgesamt war es rund ein Hektar jährlich. Dauner will den Einschlag aber noch ausbauen – auf insgesamt drei Hektar Fläche pro Jahr. Als Ziel nennt er, die wertvollen Grauerlenw­älder am Lech alle 30 Jahre zu verjüngen.

Die Bäume bleiben nur vital, wenn man sie zurückschn­eidet

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Foto: Anne Wall Forstamtsl­eiter Hartmut Dauner will die Grauerlenw­älder am Lech erhalten. Das geht aber nur, wenn man regelmäßig Bäume fällt.

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