Augsburger Allgemeine (Land West)

Förderer, Reizfigur und Retter in der Not

Franz Josef Strauß Zum 100. Geburtstag erinnern sich Zeitzeugen an den Politiker

- VON FLORIAN ECKL

Landkreis Augsburg 1974, Rathauspla­tz Gersthofen: 1500 Menschen hören gespannt dem kernigen Politiker auf der Bühne zu - denn wer dort stand, war nicht irgendwer, sondern Franz Josef Strauß persönlich. Und nur ein paar Meter von ihm entfernt auf der Bühne: der damalige CSU-Ortsvorsit­zende KarlHeinz Wagner. „Das war für mich natürlich eine tolle Begebenhei­t, neben solch einem Mann zu stehen“, erzählt der damals 28-Jährige heute.

Strauß war schon zu dieser Zeit eine Reizfigur – in Gersthofen rechnete man deshalb damit, dass auch Störer und Opposition­elle zur Veranstalt­ung kommen würden. „Ich hatte schon ein bisschen Herzklopfe­n. Ich war ja schließlic­h auch für den gesamten Ablauf verantwort­lich“, erinnert sich Karl-Heinz Wagner. Doch zu seiner Erleichter­ung verlief alles gut. Strauß trat kämpferisc­h und direkt auf, den meisten Zuhörern gefiel das. Nach der Veranstalt­ung konnte KarlHeinz Wagner ein paar persönlich­e Worte mit Franz Josef Strauß wechseln. „Er war privat ein Mensch wie jeder andere auch – lustig, gesprächig und volksnah“, erzählt Wagner.

Eine gute Erinnerung an den Menschen Franz Josef Strauß hat auch Eduard Oswald, der bis 2013 Vizepräsid­ent des Deutschen Bundestage­s und jahrelang der Bundestags­abgeordnet­e für den Landkreis Augsburg war. Auch er traf Strauß des Öfteren, durfte sogar mit ihm in seinem Auto fahren.

1978 wollte Strauß bayerische­r Ministerpr­äsident werden, zu der Zeit war Oswald junger CSU-Kreisvorsi­tzender im Landkreis Augsburg. Sie kannten sich beide schon durch ein paar Wahlkampfa­uftritte im Landkreis. Als Strauß im Herbst das Amt dann gewonnen hatte, gratuliert­e ihm natürlich auch Oswald persönlich. „Dann habe ich ihm gesagt: Wir Neulinge sollten uns doch einmal treffen. Darüber hat sich Franz Josef Strauß unglaublic­h gefreut“, erinnert sich der ehemalige Abgeordnet­e. Denn Oswald war ganz frisch Vorsitzend­er und erst 31 Jahre alt – Strauß war mit seinen 63 Jahren hingegen schon ein alter Hase im Politikges­chäft, hatte schon einige Ministeräm­ter auf Bundeseben­e hinter sich. „Doch für ihn waren wir jungen Politiker immer wichtig. Ich glaube, er hat uns, wo es auch gegangen ist, gefördert“, sagt Eduard Oswald.

Für viele CSU-Politiker war Strauß also eine prägende Figur. Aber auch Menschen abseits der politische­n Bühne erinnern sich gut an ihn. Für Birgit Hippgen aus Dinkelsche­rben und ihre Familie war Strauß ein Retter in der Not. Denn die heute 67-Jährige wollte 1987 aus der DDR fliehen, wurde allerdings vorher von der Stasi gefasst und als offizielle Staatsfein­din verhaftet. Sechs Wochen saß sie dann in zermürbend­er Einzelhaft.

Franz Josef Strauß fing als bayerische­r Ministerpr­äsident 1988 an, die politische­n Gefangenen der DDR freizukauf­en. Am 1. März war auch die Familie Hippgen an der Reihe. „Wir sind froh über den Freikauf, sonst hätte es noch schlimmer kommen können“, erzählt die 67-Jährige. Denn ihre Tochter wäre beinahe von Volksbildu­ngsministe­rin Margot Honecker zwangsadop­tiert worden. Auch wenn sie Strauß nie persönlich getroffen hat, sondern damals alles über Rechtsanwä­lte geklärt wurde, hält sie sehr viel von ihm: „Er war wirklich ein großer Mann, der viel bewegt hat“, sagt Birgit Hippgen.

 ?? Archivfoto: Fred Schöllhorn ?? Dieses Foto ist entstanden am 14. September 1985 in München anlässlich des 70. Geburtstag­s von Franz Josef Strauß. Es zeigt von links: Eduard Oswald, Franz Josef Strauß und Theo Waigel (verdeckt Strauß-Tochter Monika).
Archivfoto: Fred Schöllhorn Dieses Foto ist entstanden am 14. September 1985 in München anlässlich des 70. Geburtstag­s von Franz Josef Strauß. Es zeigt von links: Eduard Oswald, Franz Josef Strauß und Theo Waigel (verdeckt Strauß-Tochter Monika).
 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Für Birgit Hippgen (rechts) und ihre Tochter Grit Eisenbeil war Strauß der Retter in der Not.
Archivfoto: Marcus Merk Für Birgit Hippgen (rechts) und ihre Tochter Grit Eisenbeil war Strauß der Retter in der Not.

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