Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Alltag in fünfzig Jahren
Germany 2064? Der Schotte Martin Walker hat darüber einen Thriller verfasst. Warum der Bestsellerautor keine Angst vor der Zukunft hat
Eine bessere Werbung kann sich das Périgord nicht wünschen: Seit 2008 lässt Martin Walker seinen Dorfpolizisten Bruno dort heikle Fälle klären. Sieben Romane sind so entstanden und um seine Fangemeinde rundum zu versorgen, hat Walker auch noch ein Kochbuch mit den Lieblingsspeisen des Ermittlers beigesteuert. Nun aber serviert der gebürtige Schotte den Lesern Neues: Der 68-Jährige hat einen Thriller über die Zukunft Deutschlands geschrieben. In „Germany 2064“(Diogenes) schildert Walker die neuen technischen Entwicklungen und das Alltagsleben in fünfzig Jahren.
Warum spielt Ihr Zukunftsthriller in Deutschland? Walker: Ich kenne das Land sehr gut, denn ich hatte in den vergangenen Jahren bei Ihnen etwa 300 Lesungen in 200 Städten. Entscheidender ist jedoch, dass Deutschland für mich zurzeit das spannendste Land Europas ist.
Wie kommen Sie zu der Einschätzung? Walker: Das hat viele Gründe: Nicht nur wegen seiner Wirtschaftskraft, sondern wegen der Stärke der verschiedenen Regionen, dem Fehlen einer einzelnen dominanten Stadt wie Paris oder London und wegen der Fragen, die sich aus seiner demografischen Entwicklung ergeben. Ich bin Mitglied eines Think Tanks der Washingtoner Beratungsgesellschaft A. T. Kearney – und in dieser Funktion haben meine Kollegen und ich Zukunftsszenarien entwickelt, in deren Mittelpunkt Deutschland stand. Auf diesen Recherchen und zahlreichen Gesprächen mit Politikern, Forschern, Unternehmern und Soziologen basieren große Teile meines Romans.
In „Made in Germany“gibt es futuristische High-Tech-Städte, doch ein Teil der Bevölkerung zieht sich in naturnahe, selbstverwaltete Gebiete zurück. Ein realistisches Szenario? Walker: Das ist durchaus möglich. Wenn ich durch Deutschland fahre, sehe ich schon jetzt den Gegensatz zwischen den Leuten, die die HighTech-Zukunft verinnerlicht haben und sie genießen und denen, die zurück zur Natur wollen. Es gibt eine wachsende Kluft zwischen Skeptikern und Begeisterten.
Wo würden Sie lieber leben? Walker: In beiden Bereichen abwechselnd, so wie einige meiner Romanfiguren. Die wohnen zwar in den Städten, machen aber Urlaub ohne ihre Smartphones in den ÖkoKommunen. Ich glaube, wir brauchen beides, und ich habe großen Respekt für Menschen, die sich nach einem natürlicheren Leben sehnen. Im Périgord leben wir den ganzen Sommer vom Gemüse aus unserem Garten und von unseren Hühnern. Unsere eigenen Lebensmittel anzubauen und zu kochen, das ist für mich und meine Familie etwas ganz Besonderes.
In Ihrem Roman sind fahrerlose Autos und Chip-Implantate zur Gesundheitsüberwachung Standard. Außerdem trägt fast jeder Bürger einen Personal Communicator, kurz PerC. Pure Fiktion? Walker: Nein, denn diesen PerC, ein weiterentwickeltes Smartphone mit Hologramm-Bildschirm wird es bald auch für die breite Masse geben. Und ich glaube, dass die Gesundheitssysteme zunehmend darauf drängen werden, Überwachungschips zu tragen. Im Gegenzug werden sie eine deutliche Reduzierung der Mitgliedsbeiträge anbieten. Und dass es fahrerlose Transportsysteme geben wird, zeichnet sich jetzt schon ab.
Wie alt ist Ihr privates Smartphone? Walker: Ziemlich alt. Und es ist auch nicht besonders smart. Aber es hat zwei SIM-Karten, eine für Europa und eine für die USA, da ich ja ständig pendle.
Und wie technikaffin sind Sie sonst? Walker: Daheim habe ich zwei Laptops und in meinem Büro in Washington noch ein weiteres. Ich benutze sie aber fast nur für E-Mails, Filme, und natürlich fürs Schreiben meiner Romane. Grundsätzlich bin ich nicht sehr begabt im Umgang mit moderner Technik. Ich lese gerne echte Bücher und höre lieber Livemusik, als mir Konzerte im Netz oder auf DVD anzugucken. Und mein Lieblingsauto ist ein alter Citroen 2CV, Baujahr 70.
Lesen Sie eigentlich selbst ScienceFiction-Literatur? Walker: Ja, seit ich H.G. Wells in meiner Kindheit entdeckte. Das war nicht lange nachdem ich mich erst-