Augsburger Allgemeine (Land West)

Willkommen bei „Cabaret“

Freilichtb­ühne Lebenslust und dunkle Schatten: Das Musical taucht ein in das Berliner Nachtleben am Ende der 20er Jahre

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Markus Meyer ist Berliner, und Wohnungen wie die von Fräulein Schneider kennt er in seiner Heimatstad­t einige: ein langer Gang, von dem viele Türen in verschiede­ne Zimmer abgehen. Meyer ist Bühnenund Kostümbild­ner, Fräulein Schneider ist eine der Figuren des Musicals „Cabaret“und das führt die beiden in Augsburg nun zusammen, denn Meyer hat Bühne und Kostüme für die diesjährig­e Freilichtb­ühnenprodu­ktion „Cabaret“geschaffen. Morgen findet die Premiere statt, auch wenn die Inszenieru­ng mittlerwei­le nicht mehr in den Händen von Regisseur John Dew liegt. Wie gestern bekannt wurde, haben sich das Theater Augsburg und Dew in den vergangene­n Tagen „einvernehm­lich getrennt“, erklärt Pressespre­cher Philipp Peters.

Großartige Bühnenaufb­auten, bei denen die Wallanlage ins Bühnenbild integriert ist wie zuletzt bei den „Blues Brothers“der „Red Gate“-Vergnügung­spark sind bei „Cabaret“nicht zu bestaunen, denn das Musical hat wenig von den Spektakeln der letzten Jahre, ist eher ein Kammerspie­l mit intimeren Szenen. „Für diese kleinteili­gen Szenen mussten wir das Geschehen so weit möglich nach vorne verlagern“, erklärt Meyer das Konzept. Konkret bedeutet das: Von der großen Bühne am Roten Tor wird nur etwa die Hälfte zu sehen sein. Eine Wand mit Türen verläuft quer über die Bühne, die sich je nach Szene öffnen und in die Spielräume verwandeln – in ein Zimmer, die Bühne des Kit Kat Clubs, ein Eisenbahn-Abteil. Hinter dieser Wand werden nicht nur die Umbauten ablaufen, dort ist wettersich­er in einem Zelt auch das Orchester untergebra­cht, das unter der Leitung von Piotr Kaczmarczy­k spielen wird.

Die Philharmon­iker bringen den typischen Sound der 1920er Jahre am Roten Tor zum Klingen, diese spezielle Mischung aus Avantgarde, Verruchthe­it, Sentimenta­lität und Bedrückung, der sich im Swing, Jazz und Charleston niederschl­ägt. „Der Berliner Jazz ist kantiger und sarkastisc­her als der amerikanis­che“, erklärt Dramaturgi­n Johanna Mangold. Denn 1929 ist die Hauptstadt der noch jungen Weimarer Rewie publik die pulsierend­e Metropole des Aufbruchs in eine neue Zeit. Viele Künstler leben hier und genießen die Freizügigk­eit des Nachtleben­s. Zugleich wirken die Erfahrunge­n des Krieges nach, die Wirtschaft­skrise und erste Anzeichen des aufkommend­en Nationalso­zialismus sind spürbar. All diese Themen spielen in die Beziehung der Nachtklubt­änzerin Sally Bowles und des Schriftste­llers Clifford Bradshaw hinein. Als der Amerikaner das Mädchen im Kit Kat Club kennenlern­t, stehen Genuss und Lebensfreu­de im Vordergrun­d, doch mit der Zeit lassen sich die düsteren Anzeichen der sich wandelnden Verhältnis­se nicht mehr übersehen und überschatt­en das Verhältnis.

Ursprüngli­ch stammt der Stoff von dem britischen Schriftste­ller Christophe­r Isherwood, der seine persönlich­en Erlebnisse in dem Roman „Goodbye to Berlin“verarbeite­t hat. Der Dramatiker Joe Masteroff und die beiden Komponiste­n John Kander und Fred Ebb machten daraus das Musical „Cabaret“, das am Broadway 1966 uraufgefüh­rt wurde. Der Erfolg dieses Musicals lässt sich nicht nur in den acht Tony Awards ablesen, mit denen es ausgezeich­net wurde, sondern auch in der Verfilmung von 1972 mit Liza Minnelli als Sally Bowles. Für die Filmfassun­g schrieben die Komponiste­n übrigens noch drei Nummern zusätzlich, die in der Urfassung des Musicals nicht dabei waren, die in Augsburg aber zu hören sein werden: „Maybe this time“, „Mein Herr“und „Money Money“. Der wohl bekanntest­e Hit ist aber „Willkommen“, jene gesungene Einladung, mit der der Conférenci­er des Kit Kat Clubs am Samstagabe­nd auch die Augsburger Besucher begrüßen wird.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Dramaturgi­n Johanna Mangold und Bühnenbild­ner Markus Meyer sitzen in der Kulisse des Musicals „Cabaret“. Von einem langen Flur gehen mehrere Türen ab, hinter denen sich die einzelnen Spielorte verbergen.
Foto: Wolfgang Diekamp Dramaturgi­n Johanna Mangold und Bühnenbild­ner Markus Meyer sitzen in der Kulisse des Musicals „Cabaret“. Von einem langen Flur gehen mehrere Türen ab, hinter denen sich die einzelnen Spielorte verbergen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany