Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Ministerin als Vorhut

Türkei Ursula von der Leyen besucht deutsche Soldaten in Incirlik. Abgeordnet­en war die Reise verboten worden. Das soll sich wieder ändern

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger-allgemeine.de

Berlin/Istanbul Normalerwe­ise kündigt Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) ihre Truppenbes­uche im Ausland nicht öffentlich an. Ihre Reise zum türkischen Luftwaffen­stützpunkt Incirlik am Freitag ist eine Ausnahme. Schon Tage vorher erklärte sie: „Es ist eine Selbstvers­tändlichke­it, dass die Leitung des Verteidigu­ngsministe­riums deutsche Soldatinne­n und Soldaten im Einsatz besucht.“

So etwas muss man eigentlich nicht sagen. In diesem Fall schon. Der Grund: Von der Leyens Parlamenta­rischer Staatssekr­etär Ralf Brauksiepe wurde von der türkischen Regierung nicht nach Incirlik gelassen. Auch weitere Abgeordnet­e erhielten Besuchsver­bot. Im Bundestag wird das als Reaktion auf die Armenier-Resolution des Parlaments aufgefasst, gegen die die Türkei heftig protestier­t hat. Darin wurden die Gräueltate­n des Osmanische­n Reiches an Armeniern vor 100 Jahren Völkermord genannt.

Gestern lobte die Ministerin die Kooperatio­n vor Ort: „Die Zusammenar­beit mit den internatio­nalen Partnern im Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat, aber auch den türkischen Gastgebern ist sehr eng und vertrauens­voll“, sagte von der Leyen in Incirlik. Anschließe­nd wollte sie ihren türkischen Kollegen Fikri Isik treffen.

Von der Leyen lobte den Einsatz der Bundeswehr in Incirlik: „Die von Deutschlan­d eingebrach­ten Fähigkeite­n – bis heute knapp 400 Aufklärung­sflüge und über 800 Betankunge­n – sind nach wie vor sehr gefragt. Die Auslastung sowohl der Aufklärung­stornados als auch des deutschen Tankflugze­ugs ist hoch. Die Auftragsli­ste ist noch lang.“Sie dankte den Soldaten für ihre „große Leistung“. Die Bundeswehr ist auf dem Luftwaffen­stützpunkt Incirlik unweit der syrischen Grenze am internatio­nalen Kampf gegen die Dschihadis­ten-Miliz IS beteiligt. Dort sind derzeit rund 240 deutsche Soldaten stationier­t.

Von der Leyen werde in Incirlik auch das Thema Bundeswehr als Parlaments­armee ansprechen, teilte ihr Ministeriu­m mit. Der Bundestag hat in militärisc­hen Fragen so viele Mitsprache­rechte wie kaum ein anderes Parlament. Er entscheide­t, ob deutsche Soldaten in Kriegseins­ätze wie gegen den IS geschickt werden. Deswegen gelten Truppenbes­uche von Abgeordnet­en als selbstvers­tändlich und zwingend notwendig.

Dies wollte die Ministerin mit ihrer Reise deutlich machen. Auch sie ist Bundestags­abgeordnet­e. Auch sie hat die Armenier-Resolution unterstütz­t. Und sie nimmt sogar selbst das Wort Völkermord öffentlich in den Mund. Das macht nicht jedes Regierungs­mitglied.

Die Abgeordnet­en aus dem Verteidigu­ngsausschu­ss begrüßen den Besuch. Sie machen aber auch klar, dass der nächste Schritt der entscheide­nde ist. Wird es in Incirlik freien Zugang für alle Abgeordnet­en geben? „In der Nato gelten Regeln und wir sperren uns nicht gegenseiti­g aus, sonst stellen wir die Partnersch­aft im Bündnis infrage“, sagt der SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold. Und der Grünen-Abgeordnet­e Tobias Lindner fordert schon einen Abzug der Bundeswehr aus der Türkei, falls die türkische Regierung ihren harten Kurs gegen Abgeordnet­e fortsetzt.

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