Augsburger Allgemeine (Land West)
Über das Verfallsdatum von Gesichtern
Interview 20 Jahre stand Patricia Riekel an der Spitze der „Bunten“. Weshalb sie immer fair mit Promis umgehen wollte. Und warum sie sich vorstellen kann, Lokalpolitikerin zu werden
Mehrfach war zu lesen, nun gehe eine Ära bei der „Bunten“zu Ende – sehen Sie das auch so? Patricia Riekel: Das fände ich eingebildet. Sicher habe ich die Bunte geprägt, und die Bunte hat mich geprägt. Das bedeutet aber nicht, dass die Bunte nicht weiterhin eine wunderbare Zukunft haben wird.
Mit welchen Erwartungen sind Sie denn vor 20 Jahren gestartet? Riekel: Am Anfang hatte ich Lampenfieber. Es war eine große Aufgabe. Die Bunte ist eine der ältesten und erfolgreichsten Zeitschriften Deutschlands. Aber ich hatte eine Vision: die Bunte weiblicher und fairer zu machen.
Den Prominenten gegenüber? Riekel: Insgesamt. Wenn man im People-Journalismus arbeitet, hat man viel mit Emotionen zu tun. Da müssen die Fakten und das Handwerk stimmen. Das heißt nicht, dass die Bunte ein Streichelzoo für Prominente ist. Aber wenn man harte Geschichten schreibt, muss man deswegen trotzdem fair sein. Man muss sich immer wieder klarmachen, was man als Journalist im Leben von Menschen anrichten kann, wenn man über sie schreibt.
Gibt es rückblickend denn Fehler, die Sie gemacht haben? Riekel: Eigentlich fragt man sich jede Woche, wenn man sich das neue Heft anschaut: War das alles korrekt, wahren wir die notwendige Distanz, stellen wir gleichzeitig genügend Nähe her? Sicherlich gab es in der Vergangenheit Geschichten, bei denen wir vielleicht nicht sensibel genug waren. Welches waren Ihre größten Erfolge? Riekel: Ich sage immer, in der Schnullerberichterstattung war und ist Bunte führend, weil wir ein investigatives royales Team haben. Als Fürst Albert von Monaco noch Prinz war, haben wir durch Informanten erfahren, dass er ein uneheliches Kind hat. Das hätte ich mir nie vorstellen können! Aber die Mutter des Kindes, eine Stewardess, hat mit uns gesprochen. Das war – kann man sagen – schon ein Weltscoop. Als Charlène schwanger wurde, haben wir als erstes Magazin weltweit berichtet, dass es Zwillinge werden. Wir hatten das Seehofer-Baby exklusiv, und wir hatten das einzige Interview, das Hansi Gauck, die Ehefrau des Bundespräsidenten, jemals gegeben hat.
20 Jahre derselbe Job – ist Ihnen das nie langweilig geworden? Riekel: Langweilig? Ich sage Ihnen was: Es ist der schönste Job der Welt, ich wollte immer nur Chefredakteurin von Bunte werden. Sich jede Woche mit einer solchen Mixtur spannender Menschen auseinanderzusetzen – ob das nun Personen sind aus der Politik, aus dem Showbusiness oder aus der Kultur –, das ist aufregend. Das ist das Einzige, was ich hier am Ende meiner Chefredakteurszeit bedauere, dass ich nicht mehr jeden Tag mit diesen Themen konfrontiert werde. Das befriedigt doch den Urtrieb eines jeden Menschen: die Neugier, die Neugier auf Menschen. Wie hat sich die Promiwelt im Laufe der Zeit verändert? Gibt es heute noch Prominente vom Format eines Götz George oder eines Bud Spencer – oder sterben die im wörtlichen Sinne aus? Riekel: Schauspieler von diesem Format werden seltener, weil das Showbusiness Talenten nicht mehr die Zeit lässt, sich zu entfalten, zu wachsen. Wir leben in einer Zeit, wo das Verfallsdatum von Gesichtern kürzer ist als bei Sahne in der Sommerhitze. Da taucht jemand in einer Castingshow auf, singt ein Lied oder benimmt sich albern und ist plötzlich ein Star. Und schwupp, ist er auch wieder weg. Götz George hatte genügend Zeit, sein Talent zu entwickeln, er war lange am Theater und konnte sich auch für Filme entscheiden, die nicht auf Anhieb versprachen, Publikumserfolge zu werden.
Wie bewerten Sie für Journalisten die Konkurrenz durch soziale Medien? Promis vermarkten sich auf Twitter selbst. Blogs sind oft schneller als Medien. Droht da eine Gefahr? Riekel: Das Internet ist keine Gefahr. Es ist eine neue Bühne für Menschen, die sich darstellen wollen. Da müssen wir Printjournalisten mitwachsen und uns verändern. Eine Nachricht hat nicht mehr einen solchen Wert wie vor 20 Jahren. Niemand wartet mehr bis Donnerstag, um etwas über das Schicksal einer prominenten Persönlichkeit zu erfahren. Also müssen wir uns auf das besinnen, was Zeitschriften sind. Eine Zeitschrift ist eine Gesamtkomposition: Man fasst sie an, riecht sie, hört sie und man kann sie aufheben. Eine Internetseite kann man schwer lieb haben, eine Zeitschrift schon. Was sind Ihre Pläne, eine Autobiografie vielleicht? Riekel: Niemals würde ich eine Autobiografie schreiben. Das würde bedeuten, dass ich möglicherweise über etwas schreibe, was ich 20 Jahre nicht verraten habe. Aber Schreiben ist ein Teil von mir. Vielleicht schreibe ich Drehbücher, einen Krimi oder auch Beschwerdebriefe. Oder ich gehe in die Lokalpolitik. Meine Energie müssen Sie sich explosionsartig vorstellen.
Liebäugeln Sie in der Lokalpolitik mit konkreten Posten? Riekel: Nein, das wäre verfrüht. Als Chefredakteurin steuern Sie ja nicht nur ein Heft, sondern sind auch für Menschen verantwortlich. Eine Zeitschrift ist für viele auch ein Sprachrohr. Da muss man viel für die anderen da sein. Das ist ein Gedanke, der mir gefällt: Für andere da sein, für Dinge kämpfen.
Interview: Marco Krefting, dpa
Eine Autobiografie würde sie niemals schreiben