Augsburger Allgemeine (Land West)

Zelle zu klein: Häftling will Bayern verklagen

Verfassung­srichter machen Weg frei

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Karlsruhe/Augsburg Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe hat den Weg für eine gerichtlic­he Klärung menschenwü­rdiger Haftbeding­ungen freigemach­t. Nach dem am Freitag veröffentl­ichten Beschluss ist es nicht offenkundi­g, dass die Unterbring­ung von vier Menschen auf 16 Quadratmet­ern als menschenwü­rdig anzusehen ist. Karlsruhe verwarf daher die Ablehnung von Prozesskos­tenhilfe für einen Häftling.

Der Mann war in Bayern für mehr als sechs Monate mit drei Mitgefange­nen in Zellen von jeweils 16 Quadratmet­ern untergebra­cht. Nach Informatio­nen unserer Zeitung saß er in der JVA Landsberg. In der Zelle befanden sich Möbel und eine baulich abgetrennt­e, aber in die Fläche einbezogen­e Toilette. Der Häftling hält dies für menschenun­würdig. Insbesonde­re fehle jegliche Privatsphä­re.

Um dagegen vorgehen und eine Entschädig­ung erstreiten zu können, beantragte er Prozesskos­tenhilfe. Das Landgerich­t Augsburg und auch das Oberlandes­gericht (OLG) München lehnten dies mit dem Hinweis ab, der Häftling sei nicht menschenun­würdig untergebra­cht gewesen.

Doch wirklich klar ist dies nicht, wie nun das Bundesverf­assungsger­icht betonte. Gerade die Frage der Unterbring­ung mehrerer Häftlinge auf engem Raum sei bislang rechtlich nicht geklärt. Hierfür sei ein ordentlich­es Gerichtsve­rfahren erforderli­ch. Unzulässig hätten hier Landgerich­t und OLG über schwierige Fragen bereits im Prozesskos­tenhilfeve­rfahren entschiede­n.

Bei den Haftbeding­ungen komme es auf die Fläche und die bauliche Abtrennung der Toilette an. Auch die Verschluss­zeiten spielten aber eine Rolle – und wegen der Privatsphä­re und des durch körperlich­e Nähe entstehend­en Stresses auch die Zahl der gemeinsam untergebra­chten Gefangenen. Bezüglich der Fläche habe der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) in Straßburg zwar einen Richtwert von vier Quadratmet­ern pro Häftling gesetzt. Der Bundesgeri­chtshof habe aber bereits betont, dass die Anforderun­gen des Grundgeset­zes höher sind.

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