Augsburger Allgemeine (Land West)
Walisischer Feiertag
Freitagspiel Belgien geht früh in Führung, aber dann zeigt der Außenseiter seine Fähigkeiten in der Offensive und zieht mit einem überraschenden 3:1 ins Halbfinale ein
Lille Gareth Bale verteilte Handküsse ins Publikum und umarmte jeden seiner Kollegen, dann stimmten die walisischen Helden den Dauerbrenner „Don’t take me home“an. So richtig fassen konnten es die krassen Außenseiter noch gar nicht, dass sie wenige Minuten zuvor mit großer Leidenschaft Fußballgeschichte geschrieben und die hochgewetteten Belgier aus allen Titelträumen gerissen hatten.
Die Mannschaft von Trainer Chris Coleman sorgte mit dem 3:1 (1:1) gegen den Geheimfavoriten am Freitag in Lille für die nächste große Überraschung bei der EM und zog erstmals in ein Halbfinale bei einem großen Turnier ein. Dort trifft Wales am Mittwoch (21 Uhr) in Lyon auf Portugal.
Kapitän Ashley Williams (30.), Hal Robson-Kanu (55.) und Sam Vokes (86.) machten vor 45 936 Zuschauern im Stade Pierre Mauroy mit ihren Treffern die Überraschung perfekt, nachdem Radja Nainggolan (13.) die Belgier in Führung gebracht hatte. Damit setzte es für die Mannschaft um Belgiens Star Eden Hazard bei ihrem „Heimspiel“in Lille eine riesengroße Enttäuschung.
„Das ist so schwer zu beschreiben, wir haben so hart dafür gearbeitet. Dass wir jetzt im Halbfinale eines großen Turniers stehen, ist unglaublich“, sagte Torschütze Robson-Kanu und Trainer Coleman ergänzte: „Wahnsinn, dass wir jetzt hier stehen. Jetzt wollen wir noch weiter. Es ist essenziell, es ist wichtig, zu träumen.“Dagegen haderte Belgiens Axel Witsel: „Wir sind am Boden zerstört und haben uns das ganz anders vorgestellt.“
Dabei traf Mittelfeldspieler Nainggolan früh mit einem fulminanten 25-Meter-Schuss. Das Gegentor war aber offensichtlich der Weckruf für die Mannschaft von Coleman. Plötzlich waren es die Waliser, die das Spiel an sich rissen und von Minute zu Minute sicherer wurden.
Eine ungewöhnliche Variante beim Eckball brachte dem Außenseiter den Erfolg. Vier Waliser Spieler versammelten sich zu einem Pulk, ehe sie blitzschnell ausschwärmten. Die Belgier waren derart verwirrt, dass sie Williams nicht im Blick hatten, sodass der Kapitän nur noch einköpfen brauchte.
In dieser Phase wurden die großen Personalprobleme der Belgier in der Defensive offensichtlich. War das Wilmots-Team bereits ohne die Leistungsträger Vincent Kompany und Nicolas Lombaerts nach Frankreich gereist, fielen für das Viertelfinale auch noch der Gelb-gesperrte Thomas Vermaelen und der verletzte Jan Vertonghen aus. Die Belgier hatten Glück, dass sie mit dem Unentschieden in die Kabine gingen.
Die 15-minütige Pause kam dem Favoriten gelegen, denn nach dem Seitenwechsel kam er mit neuem Schwung zurück. Mit einem Kopfball von Lukaku (47.) und einem Schuss von Hazard (50.) waren die Belgier der Führung wieder näher, doch es folgte nur fünf Minuten später der Schock. Nach Vorlage von Ramsey ließ Robson-Kanu mit einem feinen Trick gleich zwei Belgier aussteigen und anschließend auch Torhüter Courtois keine Chance.
Robson-Kanu ist ein gebürtiger Engländer und spielt für den Zweitligisten FC Reading. Die Belgier antworteten in der Schlussphase mit wütenden Angriffen und Dauerdruck. Doch Vokes machte schließlich den K.o. perfekt.