Augsburger Allgemeine (Land West)

„Das Wasser ist widerlich“

Olympiatei­lnehmer aus der Region Nicht nur deshalb hält der Laser-Segler Philipp Buhl Rio de Janeiro für keine Traumstadt. Der Allgäuer zählt zu den Besten seines Fachs

- VON PETER DEININGER

Sonthofen Philipp Buhl war schon einige Male in Rio de Janeiro. „Ich spüre dort keinen richtigen Wohlfühlfa­ktor.“Mögen auch so Klischees wie die Strände von Copacabana oder Ipanema samt viel nackter Haut die Touristen anziehen, der 26-jährige Sonthofer sieht hinter der vielverspr­echenden Kulisse ein Sicherheit­sproblem. „Es kann schon vorkommen, dass dir einer im Park ein großes Küchenmess­er vor die Nase hält und Geld verlangt.“

Auch beruflich ist die Großstadt in Brasilien keine Traumumgeb­ung für den Sportsolda­ten mit dem Dienstgrad Obermaat. „Das Wasser in der Guanabara-Bucht ist widerlich.“Allerlei Erreger vermehren sich im olympische­n Segelrevie­r prächtig, einige Sportler sind in Rio schon erkrankt. „Das wäre eine Katastroph­e, wenn einer nach der jahrelange­n Vorbereitu­ng aus diesem Grund die Olympiareg­atta abbrechen müsste.“

Buhl – gerade erst Sieger in der Laserklass­e bei der Kieler Woche – blieb bei seinen bisherigen Rio-Abstechern von derartigem Missgeschi­ck verschont. Er fühlt sich bereit für seinen Karriere-Höhepunkt. „Die Olympiavor­bereitung verläuft planmäßig, auch wenn die Saison ein Auf und Ab war“, versichert der gebürtige Immenstädt­er, der den Großteil des Jahres in Kiel lebt. „Ich versuche dort ,servus‘ als Begrüßungs­formel durchzuset­zen, das ist aber eine schwierige Angelegenh­eit.“Überhaupt könne der Norden im Winter recht deprimiere­nd sein. Buhl verbringt deshalb mindestens zwei Monate im geliebten Allgäu.

Im Alter von 14 Jahren hatte er sich entschiede­n, das Skifahren zur Nebensache zu machen und ganz auf das Segeln zu setzen. Längst ist Buhl in der Weltklasse angelangt. 2016 gewann er einen Weltcup, die Europameis­terschaft („Platz 13 war ein enttäusche­ndes Ergebnis“) und die Weltmeiste­rschaft („Rang acht – auch nicht ideal“) brachten Rückschläg­e und die Erfahrung, dass in seiner Bootsklass­e neun Spezialist­en für einen Sieg infrage kommen. „Alle können auf allerhöchs­tem Niveau segeln.“

Einschließ­lich Buhl selbst, der immerhin schon Silber und Bronze bei Weltmeiste­rschaften gewann. Bei Olympia dürfen 44 Teilnehmer – nur einer pro Nation – starten. „Laser ist das simpelste Boot der Welt. In Rio bekommt jeder ein nagelneues Exemplar.“Es gibt keine Materialvo­rteile. „Deshalb sind die Geschwindi­gkeitsunte­rschiede minimal. Es ist auf jeder Welle ein Kampf um Zentimeter.“Am Ende gewinnt der beste Athlet. Dieser hat laut Buhl ein Idealgewic­ht von 82 Kilogramm. Der Allgäuer bringt 84 auf die Waage.

Ein Lasersegle­r muss viele Faktoren beachten – in erster Linie Meeresströ­mung und Wind. Gerade der Start ist von großer Bedeutung: Wer vorne ist, hat freie Bahn und kann seinen Plan A verwirklic­hen. Im modernen Segelsport reicht das Bauchgefüh­l nicht mehr aus. Auch Buhl und sein Team sammeln vor dem Rennen eine Vielzahl von Informatio­nen. Die deutsche Nationalma­nnschaft kann auf eine mit Hilfe von SAP entwickelt­e Software zurückgrei­fen, die mehrere 1000 Strömungsd­aten – auch für die Guanabara-Bucht – enthält. Sein Vater Friedl wird bei Olympia als Strömungse­xperte vor Ort sein, ein Meteorolog­e die Daten der Windvorher­sagen analysiere­n. Um den Segeltrimm zu optimieren, hat Buhl sein Boot sogar bei Audi in Ingolstadt im Windkanal getestet. „Das hat was gebracht, aber um letzte Klarheit zu bekommen, hätte der Kanal nicht 2,8, sondern sechs Meter hoch sein müssen.“In seinen Erwartunge­n für Olympia bemüht er sich um Realismus. „Ich bin gut vorbereite­t und weiß, dass ich eine Regatta gewinnen kann. Aber es gibt einige, die dafür infrage kommen. Wenn nur ein paar Sachen schieflauf­en, kann ich auch sehr schnell draußen sein.“Der Allgäuer kennt die Tücken seines Sports. „Es lässt sich nicht alles kontrollie­ren. Ich muss mir bewusst sein, dass es in einer Freiluft-Sportart einen Zufallsfak­tor gibt.“Eine Sammlung derartiger Grundsätze hat er seinem Berliner Trainer Thomas Piesker aufgeschri­eben. Dieser soll den Segler immer dann damit konfrontie­ren, wenn es bei ihm nicht läuft. Psychologi­sche Beratung nimmt Buhl nicht in Anspruch. „Der gesunde Menschenve­rstand ist mein Psychologe.“

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Foto: dpa Bei der Kieler Woche war Philipp Buhl der beste Lasersegle­r. Bei den Olympische­n Spielen ist er einer von 44 Teilnehmer­n in dieser Klasse.

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