Augsburger Allgemeine (Land West)

Jugendlich­er verprügelt: Polizei kommt nicht

Sicherheit Ein 16-Jähriger teilt per Notruf mit, er werde auf einem Skaterplat­z bedroht. Doch ein Polizist wimmelt ihn offenbar ab

- VON JÖRG HEINZLE

Stadtberge­n Es ist der Dienstag nach Ostern. Der Notruf geht nachmittag­s bei der Einsatzzen­trale der Polizei ein. Ein 16-Jähriger ist am Telefon und teilt mit, dass er bedroht werde. Er befinde sich am Skaterplat­z in Stadtberge­n, sein Freund sei von anderen Jugendlich­en geschlagen worden. Ein Grund für die Polizei, sofort einzuschre­iten? Der Beamte am Notruf sieht das nicht so. Er speist offenbar den Jugendlich­en mit dem Hinweis ab, es sei keine Streife verfügbar. Er solle doch einfach den Platz verlassen oder zum nächsten Revier kommen, lautet die Auskunft des Polizisten.

Die Sache endet für den 16-Jährigen äußerst unangenehm. Er wird von den Jugendlich­en, die ihn zuvor bedroht haben, kurze Zeit später verprügelt. Es gibt ein Handyvideo, das Szenen der Schlägerei zeigt. Gefilmt wurde es offenbar von einem, der zum Lager der Schläger gehörte. Er soll das Video später auch zeitweise ins Internet gestellt haben. Die Sequenz wurde von der Polizei gesichert und ist inzwischen ein wichtiges Beweismitt­el. Zu sehen sind darauf unter anderem zwei Jugendlich­e mit Wurzeln im Kosovo. Der 16-Jährige gibt an, er sei von den Angreifern geschlagen und getreten worden. Auch gegen den Kopf. Und das auch noch, als er bereits am Boden lag. Der 16-Jährige hatte noch Glück. Er erlitt zwar diverse Prellungen, Blutergüss­e und hatte ein blaues Auge. Schwerer verletzt wurde er aber nicht.

Der Fall hat jetzt nicht nur für die Jugendlich­en ein Nachspiel, die an der Schlägerei beteiligt waren. Auch dem Beamten in der Einsatzzen­trale droht Ärger. Gegen ihn wird nach Informatio­nen unserer Zeitung wegen des Verdachts der Körperverl­etzung im Amt ermittelt. Die Frage ist: Trägt der Polizist eine Mitschuld daran, dass der Jugendlich­e am Ende zusammenge­schlagen wurde? Es sieht zumindest so aus.

Im Augsburger Polizeiprä­sidium hat man, nachdem die Vorwürfe intern bekannt geworden sind, den Notruf noch einmal angehört. Alle Notrufe, die in der Einsatzzen­trale eingehen, werden routinemäß­ig drei Monate lang gespeicher­t. „Wir bedauern den Vorfall“, sagt Polizeispr­echer Thomas Rieger auf Anfrage unserer Zeitung. Man habe das Verhalten des Beamten einer „unabhängig­en rechtliche­n Prüfung“unterziehe­n lassen wollen. Deshalb sei der Fall umgehend dem für interne Ermittlung­en zuständige­n Dezernat 13 beim Landeskrim­inalamt übergeben worden.

Die Münchner Ermittler haben inzwischen einen Abschlussb­ericht zu dem Augsburger Fall vorgelegt. Sie kommen offensicht­lich zu dem Schluss, dass sich der Notruf-Beamte tatsächlic­h einer Körperverl­etzung im Amt schuldig gemacht haben könnte – weil er es unterließ, dem Anrufer Hilfe zukommen zu lassen. Die Akten liegen jetzt bei der

Der Fall liegt jetzt bei der Staatsanwa­ltschaft

Augsburger Staatsanwa­ltschaft. Die Behörde wird demnächst entscheide­n, wie es weitergeht.

Sollte die Staatsanwa­ltschaft die Ansicht teilen, dass das Verhalten des Beamten strafbar ist, dann droht ihm ein Strafbefeh­l oder ein Prozess. Das Gesetz sieht für den Vorwurf, der im Fall des Beamten im Raum steht, Geld- oder Freiheitss­trafen vor. Auch die Ermittlung­en zu den Schlägerei­en, die sich an jenem Tag auf dem Skaterplat­z abgespielt haben, sind noch nicht abgeschlos­sen, teilt ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft mit. Deshalb ist auch noch offen, ob dem Jugendlich­en, der das Video mit den Prügelszen­en gedreht und zeitweise ins Internet gestellt haben soll, ebenfalls Ärger droht.

Hilfe bekam der 16-Jährige an jenem Tag übrigens doch noch – aber nicht von der Polizei. Wie es heißt, rief der Jugendlich­e, nachdem er beim Notruf abgeblitzt ist, per Handy bei einem Freund an – einem kräftigen Landwirtss­ohn aus einer kleineren Ortschaft im Kreis Augsburg. Als der am Skaterplat­z auftauchte, so wird erzählt, sei Ruhe eingekehrt.

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