Augsburger Allgemeine (Land West)
Das steckt hinter dem Schuss vor der Pizzeria
Polizei Der Leibwächter eines umstrittenen Geschäftsmannes feuert in Kriegshaber bei einem Streit einem Angreifer ins Bein. Der Immobilien-Unternehmer wurde zuvor schon bedroht – unter anderem mit Schüssen auf seine Haustür
Der Mann weiß, dass er Feinde hat. Deshalb ist ein privater Personenschützer dabei, als der 58-jährige Geschäftsmann am Donnerstag mit einer jungen Begleiterin, 28, in der „L’Osteria“in Kriegshaber zum Essen geht. Es gab bereits mehrere Attacken auf den 58-Jährigen. Am 7. Juni wurde auf die Tür seiner Wohnung in einer Gemeinde im Kreis Augsburg geschossen. Drei NeunMillimeter-Projektile schlugen dem Vernehmen nach in der Tür ein. Knapp drei Wochen später wurde der Geschäftsmann bei einer Veranstaltung in Baden-Württemberg an einem Werbestand mit einem Faustschlag niedergestreckt.
Das ist nach Informationen unserer Zeitung die Vorgeschichte des dramatischen Geschehens, das sich am Donnerstagabend in dem italienischen Lokal nahe der Bürgermeister-Ackermann-Straße abgespielt hat. Der von dem Geschäftsmann engagierte Leibwächter, ein 50-Jähriger aus dem Raum Mönchengladbach, schoss dort gegen 19.25 Uhr einem 23-jährigen Mann in den Oberschenkel. Den Ermittlungen zufolge entdeckten zwei Brüder, 23 und 26 Jahre alt, und eine weitere, 33-jährige Person, den Geschäftsmann in dem Lokal und sprachen ihn an. Sie vertreten offensichtlich die Ansicht, dass ihnen der 58-Jährige aus einem früheren Immobiliengeschäft noch Geld schuldet.
Die Kripo geht davon aus, dass sie „zufällig“auf den 58-Jährigen trafen, sagt eine Polizeisprecherin. Was sich dann abspielte, rekonstruieren die Ermittler so: Es gab Streit. Man ging vor die Türe des Lokals, um die Sache zu klären. Dort versetzte dann der 26-Jährige dem Geschäftsmann einen Faustschlag gegen den Hinterkopf. Sein 23-jähriger Bruder ging den Leibwächter an. Der Personenschützer sagt, er habe seine Pistole, für die er eine Lizenz besitzt, gezogen und den 23-Jährigen gewarnt. Als der dennoch ein zweites Mal auf ihn losgegangen sei, habe er geschossen. Der 23-Jährige erlitt einen Durchschuss des Oberschenkels und musste im Klinikum behandelt werden.
Hinweise darauf, dass die Auseinandersetzung am Donnerstag vor der L’Osteria und die Vorfälle zuvor etwas miteinander zu tun haben könnten, hat die Polizei offenbar nicht. Aber die Vorgeschichte erklärt, weshalb der Leibwächter sich wohl in Alarmstimmung befand, als es zu den Handgreiflichkeiten kam. Der 58-jährige Geschäftsmann sei durch die Vorfälle schwer angegriffen, sagt sein Anwalt Werner Ruisinger. „Die Situation belastet ihn massiv.“Der Anwalt des Leibwächters, Stefan Mittelbach, geht davon aus, dass es sich beim Schuss um eine „eindeutige Notwehrsituation“gehandelt hat. Der Schütze hatte sich widerstandlos festnehmen lassen. Er wurde in der Nacht befragt, durfte am Freitag aber wieder gehen. Einen Haftbefehl beantragte die Staatsanwaltschaft nicht. Ermittelt wird derzeit wegen gefährlicher Körperverletzung. Von einer möglichen Tötungsabsicht geht die Staatsanwaltschaft nicht aus.
Feinde hat der 58-jährige Geschäftsmann offenbar schon länger. Er genießt im Raum Stuttgart, von wo aus er diverse Immobilienprojekte angestoßen hat, keinen guten Ruf. Vor drei Jahren meldeten sich in einem Zeitungsbericht zahlreiche Anleger zu Wort, mit dem Vorwurf, sie seien bei Bauprojekten um viel Geld geprellt worden. Auch ein Bauprojekt in Lauingen im Kreis Dillingen wurde damals genannt. In dem Bericht heißt es, der Immobilienunternehmer sei im Zusammenhang mit einer früheren Firmenpleite schon einmal in Haft gesessen.
Augsburg ist der Sitz einer offenbar noch jungen Firma, die sich laut der eigenen Internetseite mit der Finanzierung von Autos für Selbstständige und Gewerbetreibende befasst. Der 58-Jährige soll hinter der Firma stehen. Als Chefin fungiert offenbar die 28-Jährige, die ihn auch am Donnerstag zum Essen begleitete. Die Internetseite lässt aber Fragen offen. Wie die Finanzierung von schicken Autos zu erstaunlich günstigen Preisen genau funktionieren soll und wer hinter der Firma steckt, bleibt unklar. Dass der 58-Jährige vor wenigen Tagen an einem Infostand auf einer Veranstaltung in Mannheim, wo er für das neue Angebot warb, von Kontrahenten geschlagen wurde, wird von seinen Gegnern im Internet gefeiert. Ein Nutzer schreibt, der Geschäftsmann sei in seinen „Betrügerwerbestand hinein geflogen“.
In dem Lokal, das mit rund 220 Personen voll besetzt war, brach nach dem Schuss des Leibwächters kurzzeitig Panik aus. Gäste rannten nach draußen, darunter auch Eltern mit kleineren Kindern. Verletzt wurde dabei nach Polizeiangaben aber niemand. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an. Beamte befragten bis in den späteren Abend hinein Beteiligte und Zeugen des Vorfalls. Am Freitagmittag lief der Betrieb in der L’Osteria aber bereits wieder normal. Auch gegen die beiden Brüder, die den Geschäftsmann am Donnerstag attackiert haben sollen, wird jetzt ermittelt.
Ob es zu den Schüssen auf die Haustür des Geschäftsmanns am 7. Juni bereits erste Ermittlungsergebnisse gibt, war am Freitag von der Polizei nicht zu erfahren. Einen Grund, den Mann deshalb unter Polizeischutz zu stellen, sah man bei der Behörde offensichtlich nicht.