Augsburger Allgemeine (Land West)
Gersthofer Straßenbahn in der Warteschleife
Verkehr Eine Verlängerung bis Gersthofen halten viele Stadtpolitiker für unrealistisch – und wollen das Projekt dennoch weiter diskutieren
Gersthofen Wenn Gersthofer mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Augsburg wollen, müssen sie in Oberhausen-Nord ihren Bus verlassen und in die Straßenbahn Linie 4 umsteigen. „Brechung“heißt das im Fachjargon und ist äußerst unbeliebt. „Umsteigen ist das Gift im öffentlichen Verkehr“, betonte Walter Casazza, Geschäftsführer der Stadtwerke Augsburg. Wie wäre es also mit einer Straßenbahn bis Gersthofen, ob sie nun am Ballonstartplatz oder beim Bahnhof endet. Als jetzt im Gersthofer Stadtrat eine Grobplanung diskutiert wurde, war die Skepsis ziemlich groß. Dennoch wird das Projekt in den Fraktionen weiter diskutiert, denn der nächste Schritt wäre eine Machbarkeitsstudie. Dies kostet wohl um die 30000 Euro. „Diese paar Pfennige ...“, befand SPD-Stadtrat Klaus Greiner und plädierte für die Studie, „denn wir brauchen Visionen für die nächsten Generationen“.
Im regionalen Umland sind nach Einschätzung des Stadtwerkechefs die Chancen, dass die Menschen auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, sehr viel größer in der Fläche. Die Wechselbeziehungen zwi- schen Augsburg und Gersthofen seien groß, die Voraussetzungen aber suboptimal, denn der Gersthofer Bahnhof liege außerhalb, und die Fahrgäste müssten in OberhausenNord umsteigen. Pläne, die Straßenbahn bis nach Gersthofen zu verlängern, hat es in der Vergangenheit schon öfter gegeben. Auch in den 60/70er-Jahren, als die B-2-Umfahrung gebaut und die Augsburger und Donauwörther Straße umgestaltet wurden. Daran erinnerten Georg Brem (W.I.R.). und Karl-Heinz Wagner (CSU): „Wenn es damals schon eine Straßenbahn gegeben hätte, dann wäre Gersthofen nach Augsburg eingemeindet worden.“
Hauptproblem bei einer Straßenbahn durch Gersthofen wird sicherlich diese Verkehrsader von Süd nach Nord durch die Stadt sein. Denn damit die Straßenbahn nicht im Stau steht, muss sie auf einem eigenen Gleiskörper fahren – sonst gibt es wohl auch keine Zuschüsse, die immerhin bis zu 80 Prozent betragen sollen. Doch dafür sei in der Augsburger und Donauwörther Straße kein Platz, befand etwa Alois Pfiffner (W.I.R.). Bei einem Bau der Straßenbahnlinie würde dort „kein Stein auf dem anderen bleiben“. Zudem würden die Gersthofer Busse doppelt so viele Haltestellen anfahren wie eine Straßenbahn. Dass Parkplätze wegfallen könnten, ist für Bürgermeister Michael Wörle nicht das Thema: „Es geht um Stadtplanung, nicht um 20 Parkplätze.“Das Thema werde jetzt diskutiert, da die Augsburger Straße saniert werden müsse.
Bürger, die nicht unmittelbar an der Linie wohnen, müssten wesentlich länger warten, betonte Alfred Kaps (Pro Gersthofen). Den Stadtwerken warf er vor, „sie picken sich nur die Rosinen raus“. Dem widersprach Casazza: „Wir sind nur Lohnkutscher, die Einnahmen bleiben bei Gersthofen.“Dass sich im öffentlichen Nahverkehr in Gersthofen einiges ändern würde, ließ auch Gersthofens Stadtwerke-Chef Bernhard Schinzel anklingen. Denn im Grunde genommen müssten die Gersthofer Busse die Fahrgäste ja dann bis zur Straßenbahn in der Ballonstadt fahren und nicht mehr bis Oberhausen-Nord.
Während eine Linie bis zum Ballonstartplatz mit einem Ingenieurbauwerk auskommt, sind es bis zum Bahnhof drei. Das macht die Sache wesentlich teurer. Wobei: Über Kosten wurde an diesem Abend gar nicht geredet. Die Stadtwerke kalkulieren derzeit pro Straßenbahnkilometer mit Planungsund Baukosten von etwa 10 Millionen Euro – und einer Förderung von 80 Prozent. Das Geld gibt es aber nur, wenn ein eigener Gleiskörper für die Straßenbahn gebaut wird. Wie dies in der Augsburger/Donauwörther Straße möglich sein soll, selbst wenn Parkplätze wegfallen und zusätzlicher Grunderwerb nötig ist? Eine von vielen Fragen, die eine Machbarkeitsstudie klären soll. Vorausgesetzt, der Stadtrat sagt dazu Ja. Eine erste Entscheidung darüber wurde mit 14:15 Stimmen erst einmal abgeblockt. Wobei vor allem neben Pro Gersthofen die CSU-Fraktion dem Projekt wenig bis nichts abgewinnen kann. Straßenbahn sei eher eine alte Technik, die 40 bis 50 Millionen sollte man besser für neue Technologien in der Fortbewegung einsetzen, forderte Max Poppe. Gersthofen habe durch seine eigenen Verkehrsbetriebe bereits einen optimalen Nahverkehr. Und nach Meinung von Georg Brem (W.I.R.) hat die Straßenbahn ohnehin einen unschlagbaren Konkurrenten: die Bahn. Mit dem Zug sei man in sieben Minuten von Gersthofen am Augsburger Hauptbahnhof.