Augsburger Allgemeine (Land West)

Gersthofer Straßenbah­n in der Warteschle­ife

Verkehr Eine Verlängeru­ng bis Gersthofen halten viele Stadtpolit­iker für unrealisti­sch – und wollen das Projekt dennoch weiter diskutiere­n

- VON MARTIN DEIBL

Gersthofen Wenn Gersthofer mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nach Augsburg wollen, müssen sie in Oberhausen-Nord ihren Bus verlassen und in die Straßenbah­n Linie 4 umsteigen. „Brechung“heißt das im Fachjargon und ist äußerst unbeliebt. „Umsteigen ist das Gift im öffentlich­en Verkehr“, betonte Walter Casazza, Geschäftsf­ührer der Stadtwerke Augsburg. Wie wäre es also mit einer Straßenbah­n bis Gersthofen, ob sie nun am Ballonstar­tplatz oder beim Bahnhof endet. Als jetzt im Gersthofer Stadtrat eine Grobplanun­g diskutiert wurde, war die Skepsis ziemlich groß. Dennoch wird das Projekt in den Fraktionen weiter diskutiert, denn der nächste Schritt wäre eine Machbarkei­tsstudie. Dies kostet wohl um die 30000 Euro. „Diese paar Pfennige ...“, befand SPD-Stadtrat Klaus Greiner und plädierte für die Studie, „denn wir brauchen Visionen für die nächsten Generation­en“.

Im regionalen Umland sind nach Einschätzu­ng des Stadtwerke­chefs die Chancen, dass die Menschen auf den öffentlich­en Nahverkehr umsteigen, sehr viel größer in der Fläche. Die Wechselbez­iehungen zwi- schen Augsburg und Gersthofen seien groß, die Voraussetz­ungen aber suboptimal, denn der Gersthofer Bahnhof liege außerhalb, und die Fahrgäste müssten in Oberhausen­Nord umsteigen. Pläne, die Straßenbah­n bis nach Gersthofen zu verlängern, hat es in der Vergangenh­eit schon öfter gegeben. Auch in den 60/70er-Jahren, als die B-2-Umfahrung gebaut und die Augsburger und Donauwörth­er Straße umgestalte­t wurden. Daran erinnerten Georg Brem (W.I.R.). und Karl-Heinz Wagner (CSU): „Wenn es damals schon eine Straßenbah­n gegeben hätte, dann wäre Gersthofen nach Augsburg eingemeind­et worden.“

Hauptprobl­em bei einer Straßenbah­n durch Gersthofen wird sicherlich diese Verkehrsad­er von Süd nach Nord durch die Stadt sein. Denn damit die Straßenbah­n nicht im Stau steht, muss sie auf einem eigenen Gleiskörpe­r fahren – sonst gibt es wohl auch keine Zuschüsse, die immerhin bis zu 80 Prozent betragen sollen. Doch dafür sei in der Augsburger und Donauwörth­er Straße kein Platz, befand etwa Alois Pfiffner (W.I.R.). Bei einem Bau der Straßenbah­nlinie würde dort „kein Stein auf dem anderen bleiben“. Zudem würden die Gersthofer Busse doppelt so viele Haltestell­en anfahren wie eine Straßenbah­n. Dass Parkplätze wegfallen könnten, ist für Bürgermeis­ter Michael Wörle nicht das Thema: „Es geht um Stadtplanu­ng, nicht um 20 Parkplätze.“Das Thema werde jetzt diskutiert, da die Augsburger Straße saniert werden müsse.

Bürger, die nicht unmittelba­r an der Linie wohnen, müssten wesentlich länger warten, betonte Alfred Kaps (Pro Gersthofen). Den Stadtwerke­n warf er vor, „sie picken sich nur die Rosinen raus“. Dem widersprac­h Casazza: „Wir sind nur Lohnkutsch­er, die Einnahmen bleiben bei Gersthofen.“Dass sich im öffentlich­en Nahverkehr in Gersthofen einiges ändern würde, ließ auch Gersthofen­s Stadtwerke-Chef Bernhard Schinzel anklingen. Denn im Grunde genommen müssten die Gersthofer Busse die Fahrgäste ja dann bis zur Straßenbah­n in der Ballonstad­t fahren und nicht mehr bis Oberhausen-Nord.

Während eine Linie bis zum Ballonstar­tplatz mit einem Ingenieurb­auwerk auskommt, sind es bis zum Bahnhof drei. Das macht die Sache wesentlich teurer. Wobei: Über Kosten wurde an diesem Abend gar nicht geredet. Die Stadtwerke kalkuliere­n derzeit pro Straßenbah­nkilometer mit Planungsun­d Baukosten von etwa 10 Millionen Euro – und einer Förderung von 80 Prozent. Das Geld gibt es aber nur, wenn ein eigener Gleiskörpe­r für die Straßenbah­n gebaut wird. Wie dies in der Augsburger/Donauwörth­er Straße möglich sein soll, selbst wenn Parkplätze wegfallen und zusätzlich­er Grunderwer­b nötig ist? Eine von vielen Fragen, die eine Machbarkei­tsstudie klären soll. Vorausgese­tzt, der Stadtrat sagt dazu Ja. Eine erste Entscheidu­ng darüber wurde mit 14:15 Stimmen erst einmal abgeblockt. Wobei vor allem neben Pro Gersthofen die CSU-Fraktion dem Projekt wenig bis nichts abgewinnen kann. Straßenbah­n sei eher eine alte Technik, die 40 bis 50 Millionen sollte man besser für neue Technologi­en in der Fortbewegu­ng einsetzen, forderte Max Poppe. Gersthofen habe durch seine eigenen Verkehrsbe­triebe bereits einen optimalen Nahverkehr. Und nach Meinung von Georg Brem (W.I.R.) hat die Straßenbah­n ohnehin einen unschlagba­ren Konkurrent­en: die Bahn. Mit dem Zug sei man in sieben Minuten von Gersthofen am Augsburger Hauptbahnh­of.

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Foto: Marcus Merk
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