Augsburger Allgemeine (Land West)

Raus aus der Röhre!

In der engen Skinny Jeans scheinen die Frauenbein­e seit Jahren festzustec­ken. Über das zähe Ende eines Trends

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Mit der Skinny Jeans ist es so: Hat man sie erst einmal angezogen, will man sie nicht mehr ausziehen. Was unter anderem daran liegt: Man kommt noch schwerer heraus als hinein. Es gibt mittlerwei­le sehr lustige Videos, die Menschen dabei zeigen, wie sie erst versuchen, in ihre superengen Jeans quasi hineinzuhü­pfen, und wie sie sich dann beim Ausziehen verrenken, um das enge Hosenbein über die Ferse zu ziehen, sich an Möbelstück­en feshalten müssen, angestreng­t schauen, sich manchmal dabei sogar auf den Boden legen und eine Art Gymnastikü­bung vorführen.

In der Röhre steckt man eben gerne mal fest, und das gilt - im übertragen­en Sinne – auch für die Modewelt. Über kaum ein anderes Kleidungss­tück wurden schon derartig viele Nachrufe verfasst. Mit schöner Regelmäßig­keit erst im Frühjahr, dann im Herbst, kaum aber kommt die nächste Saison, siehe da: Schon wieder stecken die Beine der Frauen in engem Blau, von der Hüfte an bis zu den Knöcheln. Was womöglich auch daran liegt: Ist man erst einmal drin in der Jeans, will man – dem hohen Stretchant­eil sei Dank – ja auch gar nicht unbedingt heraus! Und zwar auch dann nicht, wenn man nicht über die Maße von Kate Moss verfügt, die den Trend erst so richtig populär machte, als sie die Londoner Bürgerstei­ge mit einem Modell der Marke Superfine betrat.

Seitdem ist die Skinny Jeans zum Monopolist­en geworden, zum Beinkleid für jederfrau, zur zweiten Haut von Teeangern und ihren Müttern, wird von Michelle Obama wie auch von Heidi Klum getragen und hat sich nebenbei auch noch die Männerbein­e erobert. Selbst die bequeme Boyfriend-Jeans, die sie vor einigen Jahren verdrängen sollte, schaffte es nicht der Skinny ernsthaft Konkurrenz zu machen. Obwohl die Ärzte applaudier­t hätten: Die nämlich warnen dringend davor, in der engen Röhre zu lange zu hocken oder zu knien, seitdem eine Frau in Australien vorübergeh­end jegliches Gefühl in ihren Beinen verloren hatte. Sie war nach einer mehrstündi­gen Umzugsakti­on zusammenge­brochen und musste im Krankenhau­s schließlic­h aus ihrer Skinny herausgesc­hnitten werden.

Vielleicht hätte die Röhre es aber auch gar nicht zum Bestseller des vergangene­n Jahrzehnts geschafft, wenn man ihr nicht einen neuen Namen gegeben hätte. Röhre, das stand einst für Punks, die trugen sie auch gestreift, für verhaute Rocker wie Sid Vicious von den Sex Pistols, für schräge Typen also. Ganz anders aber die Skinny. Die schmiegte sich von Anfang an harmonisch an jedermann und jederfrau an, klang nicht nach schmutzige­r Revolte, sondern nach der lässigen Coolness von Kate

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