Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Frage der Woche
Bin ich nur für Deutschland, wenn ich mein Auto mit Radsocken ausstatte, die über die Felgen gespannt werden? Kann ich mit der deutschen Mannschaft wirklich nur mitfiebern, wenn ich meinen Vorgartenzaun, meinen Briefkasten, alle Fenster mit möglichst vielen Deutschlandfahnen ausflagge, mein Hund mit schwarz-rot-goldenem Halsband spazieren geht?
Eine kuriose Diskussion ist derzeit in Deutschland zu gange. Eine grüne Jugendbewegung hat aufgerufen, bei dieser Europameisterschaft auf Fähnchen zu verzichten. Denn diese „produzieren Nationalismus“. Und weil Unbekannte derzeit Fähnchen von den Autos entfernen und dies als politische Aktion verstehen, ist schon wieder viel von Nationalstolz und den ewigen Problemen der Deutschen mit ihrer Fahne die Rede. Eine Diskussion, die in Deutschland übrigens ebenso zuverlässig wie ergebnislos im Zwei-Jahres-Turnus geführt wird. Nämlich immer dann, wenn die deutsche Nationalmannschaft versucht, einen Meistertitel zu holen. Tatsächlich ist es aber so: Spielen die deutschen Fußballer, wird das Land schwarz-rot-gold dekoriert. Zieht der Herbst ins Land, kommen die Kürbisse an die Toreinfahrten. Und wenn sich Weihnachten nähert, werden bunt blinkende Lichterketten aus den Kisten geholt – in den seltensten Fällen ein Beitrag zur Verschönerung der Umgebung, Rituale halt.
Das kann im Jahr 2022 ganz blöd ausgehen, wenn die WM im Dezember in Katar stattfindet. Da kommt dann der Nikolaus im FußballTrikot auf die Weihnachts-Fanmeile. Der Glühwein wird in Deutschlandbecher ausgeschenkt. Und wie wär’s mit schwarzrot-goldenen Schneeketten? Auweia! Dies gilt es schon jetzt zu verhindern! Weg mit den Fähnchen!