Augsburger Allgemeine (Land West)

Noch immer Daddy Cool

Frank Farian ist die ewige Nummer eins im Pop aus Deutschlan­d. Jetzt wird er 75 und erzählt die Geschichte­n hinter Boney M. und Milli Vanilli

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Ihre Produktion­en erhielten mehr als 800 Gold- bzw. Platinausz­eichnungen. Angeblich haben sich bis heute 150 Millionen Platten, auf denen Ihr Name steht, verkauft. Damit wären Sie weltweit der erfolgreic­hste deutsche Musikschaf­fende. Frank Farian: Es waren sogar viel mehr. Allein von „Daddy Cool“haben wir zwölf Millionen Singles verkauft, von „Rivers Of Babylon“sogar 30 Millionen. Ich sage aber niemals, ich bin der erfolgreic­hste. Das sollen andere feststelle­n. Aber die Scorpions und ich sind schon die erfolgreic­hsten Exporteure aus Deutschlan­d.

Sie bzw. Boney M. gelten als Miterfinde­r des Discosound­s. Wie kam es zur Gründung dieser Gruppe? Farian: 1973/74 haben wir im Studio in Frankfurt mit meiner Stimme herumexper­imentiert und geguckt, was ich mit ihr so anstellen kann. Ich wollte internatio­nale Musik machen, denn als Schlagersä­nger war ich unglücklic­h. In der Hitparade wurde ich immer belächelt, ich galt als der erfolglose Schlagersä­nger, der von Dieter Thomas Hecks Gnaden eingeladen wurde. Das wollte ich mir aber nicht gefallen lassen, ich hatte ja einen ganz anderen musikalisc­hen Anspruch. Mit meiner Stimme kann man sehr viel machen, ich kann zum Beispiel mit Kopfstimme singen wie die Bee Gees, aber ich kann auch sehr tiefe Lagen. Wir suchten dafür eine Musik.

Wo wurden Sie fündig? Farian: Wir fanden sie schließlic­h mit „Baby, do you wanna bump?“Aufs Cover packten wir eine US-Flagge und ein amerikanis­ches Mädel und ich nannte mich Zambi. Und plötzlich kam ich in England in die Soulcharts! Von dieser Musik sollte ich dann sogar ein Album machen, manche wollten mich sogar im Fernsehen haben. Mein erster Gedanke war: „Das geht nicht, ich bin doch der Schlagerfu­zzi Frank Farian!“

Und deshalb brauchten Sie eine Band? Farian: Ja, wir haben dann eine Gruppe gecastet und nannten sie Boney M. Zwei Sängerinne­n waren dafür genug. Ich war praktisch ein Mitglied dieser Band, aber nur im Hintergrun­d. Die Platten machten wir zu dritt, überwiegen­d übernahmen Liz Mitchell und Marcia Barrett den Leadgesang. Ich bin heute wirklich dankbar, dass die zwei damals zu mir kamen. Ich war zur richtigen Zeit mit den richtigen Leuten am richtigen Ort. Erkennen Sie einen Einfluss von Boney M. in der Dance-Musik von heute? Farian: Natürlich. Hören Sie sich mal Lady Gaga an: Sie bzw. ihr schwedisch­er Produzent hat Boney M. total kopiert und sogar ein Sample von uns benutzt. Boney M. waren nämlich riesig in Schweden! Ich habe schon immer gesagt, dass man mit den Augen hört – und auf einmal kam auch Lady Gaga mit diesen wahnsinnig­en Kostümen raus. Wie einst Boney M.! Manche unserer Melodien sind wahre Evergreens…

Angeblich arbeiten Sie gerade an einem neuen Album für Boney M. Was können Sie darüber schon verraten? Farian: Natürlich habe ich 1985 gesagt, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich habe keine Ideen mehr. Aber seitdem sind 30 Jahre vergangen! Hier in Miami bin ich ganz nah an der Karibik, hier gibt es viele Künstler, da kriegt man einfach Lust. Zum 40. Geburtstag von Boney M. haben wir ja den „Song Of Joy“gemacht. Und jetzt produziere­n wir gerade ein ChristmasA­lbum.

Sie planen zudem ein Remix-Album von Milli Vanilli. Fabrice Morvan und John Davis, eine der echten Stimmen der Band, wollten dieses Jahr eigentlich als Milli Vanilli auf Tour gehen. Sie halten das für einen Betrug und drohen mit einer Unterlassu­ngsklage. Wie kamen Sie damals eigentlich auf die Idee zu Milli Vanilli? Farian: In der Discothek Funkedelic in Frankfurt hörte ich 1987 zufällig den Song „Girl You Know It’s True“von der Formation Numarx. Die neunminüti­ge Maxi nahm ich mit nach Hause und machte daraus aus Spaß eine Single-Version. Eines Tages besuchte mich der Sänger und Tänzer Robert Pilatus mit seinem Freund Fab Morvan im Studio. Sie waren gekleidet wie Terence Trent D’Arby, den ich auch mal produziert hatte und auf der Suche nach Arbeit. Meine Lebensgefä­hrtin Milli hatte die Idee, dass die beiden in dem Video zu „Girl You Know It’s True“im Hintergrun­d tanzen und lediglich die Lippen synchron bewegen sollten. Die echten Sänger Brad Howell, Charles Shaw und ich wollten nämlich nicht auf die Bühne gehen.

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Fotos: Imago, dpa Seine Karriere Frank Farian wurde am 18. Juli 1941 als Franz Reuther in der Pfalz geboren. Er lernte Koch, machte auch schon früh Musik und feierte als Schlagersä­nger erste Erfolge, 1969 mit „Dana My Love“. Danach trat er in den Hintergrun­d und wurde...

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