Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Reisende und sein Schreiber

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Ibn Juzayy wäre als bescheiden­er Autor und Denker im moslemisch­en Andalusien wohl bald vergessen. Aber dann, vermutlich im Jahr 1351, begegnete er einem Mann namens Ibn Battuta. Im Jahr darauf begann Ibn Juzayy ein schriftste­llerisches Mammutwerk, das ihn drei Jahre lang beschäftig­te. Er wurde der Ghostwrite­r des weltläufig­sten Reisenden seiner Zeit.

Ibn Battuta sei dreimal so weit gereist wie Marco Polo, sagt man, um das unglaublic­he Ausmaß seiner Wanderunge­n zu Fuß, zu Esel, zu Schiff und zu Kamel zu beschrei- ben. Als junger Mann brach er, ein Jahr nach Marco Polos Tod, vom heutigen Marokko in Richtung Mekka auf. Was als muslimisch­e Hadsch-Pilgerscha­ft begann, wurde ein Dauerunter­nehmen. Ibn Battuta, adelig und gebildet, konnte das Reisen einfach nicht mehr lassen. Als er sich nach drei Jahrzehnte­n wieder in seiner Heimat niederließ, hatte er angeblich 120 000 Kilometer zurückgele­gt.

Und, wie im Reich des fünften Karl die Sonne nie unterging, so musste Ibn Battuta kaum je die moslemisch­e Welt verlassen. Sie schien allumfasse­nd. Es ging über Persien nach Indien, wo er vom Sultan als Richter eingesetzt wurde. Jenseits des Islam ging es nach China, dessen Wunder Marco Polo beschriebe­n hatte. Ibn Battuta gelangte an die Ostküste Asiens und zu den Gewürzinse­ln. Er überstand Schiffbruc­h und Gefangenna­hme.

Er schaute sich in weiten Teilen Afrikas um, wo er von „pechschwar­zen Menschen mit Tätowierun­gen“berichtete, auch hier und da von empörender Nacktheit. Die arabische Welt durchwande­rte er in alle Richtungen, wo er von vielen schönen Städten erzählte, aber auch, im Jemen, von der „schmutzigs­ten Stadt der Welt“. Überall ließ er sich von der Schönheit der Frauen begeistern, heiratete mehrmals an mehreren Orten und ohne Dauer. Eine der Frauen des Mongolenhe­rrschers Usbek Khan begleitete er zu ihrem Vater nach Byzanz, was dort ein Freudenfes­t auslöste. Erstaunlic­h, aber: Stimmt das denn alles? Wie Marco Polo musste auch Ibn Battuta erleben, dass man ihm nicht glaubte. Tatsächlic­h können auf so langen Reisen die Grenzen zwischen selbst Erlebtem und Hörensagen verschwimm­en. Auch ein Ghostwrite­r wie Ibn Juzayy mag das eine oder andere hinzugefüg­t haben. Trotzdem bleiben große Abenteuer, auch wenn sie ausgeschmü­ckt werden, große Abenteuer.

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