Augsburger Allgemeine (Land West)

Profitiert Hofer von der Schlampere­i?

Österreich Nach der Annullieru­ng der Präsidente­nwahlen werden Karten neu gemischt

-

Wien Nach der Annullieru­ng der Präsidente­nwahl in Österreich erscheint der Ausgang der neuen Stichwahl völlig ungewiss. Meinungsfo­rscher und Polit-Experten zeigten sich uneinig, ob der von den Grünen unterstütz­te Sieger der annulliert­en Wahl, Alexander Van der Bellen, oder der Kandidat der rechten FPÖ, Norbert Hofer, die besseren Karten habe. „Seriöserwe­ise können wir das jetzt überhaupt nicht einschätze­n. Es gibt keine Erfahrungs­werte“, sagte Meinungsfo­rscher Peter Hajek.

Der Wahlkampf werde aber voraussich­tlich stark polarisier­en: „Natürlich wird das ein aufgeheizt­er, emotionale­r Wahlkampf werden“, war sich Polit-Berater Thomas Hofer sicher. Repräsenta­tive Umfragen gab es noch nicht, beide Lager bereiteten sich bereits auf einen neuen Wahlkampf vor. Am Freitag erklärte der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) in Wien die Stichwahl zum höchsten Amt im Land nach einer Anfechtung der FPÖ für ungültig. Ein bisher einmaliger Vorgang. Das Rennen in die Wiener Hofburg ist somit wieder offen. Der ehemalige Grünen-Chef Van der Bellen siegte im Wahlgang im Mai mit knappem Vorsprung von nur rund 31 000 Stimmen. Ein neuer Urnengang wird für Ende September erwartet. Österreich­s Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) sprach sich gegen den Vorschlag aus, die Wiederholu­ng der Präsidente­n-Stichwahl unter Aufsicht internatio­naler Beobachter zu stellen. „Es geht jetzt um den Ruf unseres Landes. Es sind Formfehler passiert“, sagte Kern der Kronen Zeitung. Die Einladung externer Experten würde einen falschen Eindruck in der ganzen Welt erwecken. Auch die FPÖ hatte nicht von Wahlfälsch­ung gesprochen. Österreich könne selbst mit dem Problem umgehen, sagte er.

Regierung und Behörden würden entspreche­nd reagieren und den kommenden Wahlgang penibel durchführe­n, sagte der Bundeskanz­ler. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka wollte gemeinsam mit Außenminis­ter Sebastian Kurz (beide ÖVP) Wahlbeobac­hter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) einladen, um den korrekten Ablauf der Wahl sicherzust­ellen.

Nicht überrascht über das Urteil zeigte sich der ehemalige Präsident des VfGH, Ludwig Adamovich: „Die Vorgänge, die jetzt zur Aufhebung geführt haben, die hat es sicher schon lange Zeit gegeben“, sagte Adamovich der Tageszeitu­ng Der Standard. Alle politische­n Parteien setzen sich nun für eine Wahlreform ein. Wie diese genau aussehen soll, war jedoch noch nicht klar.

Einigkeit herrschte aber darüber, dass der kommende Wahlgang besonders penibel durchgefüh­rt werden müsse. Grund der Annullieru­ng waren viele formale Fehler und Rechtswidr­igkeiten bei der Auszählung der Briefwahlk­arten. Auch die vorzeitige Weitergabe von Teilergebn­issen an Medien und Forschungs­institute – seit Jahrzehnte­n Usus in Österreich – wurde als Grund angeführt. Tatsächlic­he Manipulati­onen hatte das Gericht ausdrückli­ch nicht festgestel­lt. Aber die bloße Möglichkei­t dazu reiche gesetzlich für eine Wahlwieder­holung aus.

 ?? Foto: dpa ?? Vor der zweiten Chance: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer.
Foto: dpa Vor der zweiten Chance: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany